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aristotelisch gesprochen: es gibt keine bloß erleidende Möglich-
keit, keine Aufnehmerin vor dem Aufgenommenen. — Dasselbe
ergab sich uns in der reinen Lehre vom Sein.
Gestalt ist aber nicht nur mit der Verstaatlichung des Vorstoffli-
chen verbunden, sondern hat noch als weitere Bedingung die Wech-
seldurchdringung der Qualitäten. Insofern drückt jede wirkliche
Gestalt mehrfache Verräumlichungsaktionen der Qualitäten aus. Das
heißt aber: J e d e G e s t a l t i s t n i c h t n u r s i n n l i c h ,
s o n d e r n a u c h s i n n b i l d l i c h . „Sinnbild“ will hier nichts
anderes heißen als: Ausdruck eines anderen zu sein.
Mit diesem Ergebnisse stimmt der kühne Gedanke Jaumanns überein, daß
alle Eigenschaften über den gesamten Raum stetig verteilt, daß somit in jedem
Punkte des Raumes sämtliche Eigenschaften potentiell vorhanden sind, daß sie
daher auch in jedem Raumpunkte, wenn die Voraussetzungen des Naturzusam-
menhanges ansonsten zutreffen, erweckt (aktualisiert) werden können. Wie ja
überhaupt nicht die materialistisch gedachte Undurchdringlichkeit, sondern die
wesensgemäße (allerdings nicht eine wahllose) Wechseldurchdringlichkeit die
Lehre dieser Physik ist
1
. / Wenn die räumlich-stoffliche Welt nicht das Er-
gebnis, die Äußerung von Vorsinnlichem wäre, wie könnten alle Eigenschaften
überall da sein? Das bestätigt gerade, daß die Eigenschaften nicht durch Zusam-
mentreten und Auseinandertreten der Atome entstehen, sondern eine vorsinnliche
Wurzel, ein Prius haben.
Nach dieser Auffassung des Stoffes als verräumlichter vorsinnli-
cher Wesenheiten erscheint als sein wesensgemäßer Name nicht
mehr das alte Wort „Materie“, welches heißt die Mütterlichkeit.
Dieses Wort besagt im Sinne der Alten, daß der Stoff die „Aufneh-
merin“ aller Formen sei. Nun ist es wahr, daß der stofflichen Welt
die Verrichtung als „Aufnehmerin“ oder „Grundlage“ gegenüber
den organischen Formen und gegenüber der geistigen Welt — der
Marmor nimmt die Form der Bildsäule auf, das Wachs die Form des
Siegels — zukommt. Aber damit ist nicht gesagt, daß der Stoff nicht
auch eine Welt in sich selbst wäre. Das Stoffliche ist eine Welt in
sich selbst! Darum ist sie nicht leere Empfänglichkeit, reines Erlei-
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Vgl. Erwin Lohr: Atomismus und Kontinuitätstheorie in der neuzeitlichen
Physik, Leipzig 1926, S. 52: „Jedem Punkte des Raumkontinuums kommen
in jedem Augenblicke ganz bestimmte Zahlenwerte aller untereinander qualitativ
verschiedenen Zustandsvariablen zu.“ — Ein verwandter Gedanke bei Gottfried
Wilhelm von Leibniz: Monadologie, deutsch von Robert Zimmermann, Wien
1847, §§ 66 f.: Jedes Stück Materie enthält eine ganze Welt, ist ein „Teich voller
Fische“.