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B. E w i g k e i t
Der Satz, daß Zeit nur auf dem Grunde des Zeitlosen möglich ist,
läßt sich von der Natur der Ganzheit aus vollkommen begründen.
Begreift man was es heißt, daß die Ganzheit nicht in ihrer Ausglie-
derung und Umgliederung untergeht, so hat man auch das Zeitlose
in der Zeit begriffen. Aber den lebendigen Eindruck ergibt jener
Satz erst, wenn man sich auch klarmacht, daß Ewigkeit nicht eine
Verneinung der Zeit ist oder auch nicht eine endlose Dauer der
Zeit. Die Z e i t m u ß v i e l m e h r a l s e i n Z u w e n i g a n
A u s g l i e d e r u n g s k r a f t d e r G a n z h e i t , gleichsam als
eine Abschwächung begriffen werden, da Umgliederung nur nötig
ist, weil die Ganzheit in einer einzigen systematischen Ausgliede-
rung sich nicht Genüge tut und erreicht. Wäre die Ganzheit lau-
tere Wirklichkeit (actus purus), dann müßte sie alles in einem Nu zu
setzen vermögen, dann müßte sie all die lebendige Mannigfaltigkeit
ihrer Glieder in einer einzigen, überall in sich selbst verbundenen
Gesamt-Ausgliederungs-Tat zu setzen vermögen — in einem ein-
zigen „ewig grünenden und blühenden Nun“, wie die deutschen
Mystiker von Gott sagten. Dann wäre keine Zeit, sondern Ewigkeit.
Ewigkeit darum, das wiederholen wir, ist nicht eine unendlich
lange Zeit, noch das Stillestehen, das Gegenteil von Zeit, sondern
der I n b e g r i f f aller Zeit, da diese geformt zu denken ist, nicht
als endlos fortgehendes Aneinanderreihen (das wäre sinnlos und
ergäbe unendlich lange Zeit = leere Zeit, wie Hegel sagte). Ewigkeit
ist Überzeitlichkeit, ist ungeteilte / Einheit, ist Erkennen und Er-
leben des gesamten Ausgliederungsinhaltes, zuletzt der Welt, in
e i n e m Blicke. (Wie wohl Ertrinkende in einem Blicke ihr ganzes
Leben überschauen.) Die Ewigkeit, weit entfernt, eine in das Un-
endliche fortgesetzte Zeit zu sein, ist vielmehr etwas wesentlich an-
deres: die Wurzel aller Zeit, das Eins im Vielen, das Nun in allen
Augenblicken.
So lehrte die echte metaphysische Philosophie aller Zeiten, so
lehrte die Mystik aller Zeiten.
Die Ewigkeit als das Zeitlose in der wirklich von uns erfahrenen
Zeit und als die Wurzel aller Zeit ist in einer einfachen Anschauung
nicht zu fassen, da der Mensch das Verhältnis Gottes zur Welt
nicht erschöpfen kann. Aber in gewissem Belange, und das ist ein