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Die Lehren über die Zeit haben eine, wenn auch nicht vollkom-
men gleiche Sicherheit, so doch eine ähnliche innere Einsichtigkeit
wie jene der Geometrie und Arithmetik. Es handelt sich ja in der
Zeit ebenso wie im Anschauen des Raumes um unsere eigenen Set-
zungen, die wir nur innerlich festzuhalten brauchen, die wir gleich-
sam nur in ihrer eigenen Logik bewahren müssen. Hauptsächlich der
Umstand, daß die Zeitgestalten von ihrem Inhalte nicht in dem-
selben Maße getrennt werden können wie die Raumgestalten, daß
sie in verschiedenem Stoffe (im Worte, im Tone, in der Körper-
bewegung des Tanzes usw.) verschiedene / Beschaffenheit anneh-
men und auch von dem Sinngehalte der Sprache, Musik und des
Tanzes nicht in demselben Maße getrennt werden können, wie dies
die rein formelle Geometrie vermag, muß weiterhin die Möglich-
keit rein formell-einsichtiger Gesetze beengen
1
.
Daß es aber überhaupt eine Zeitgestalt gibt, ist auf den ersten
Blick nicht selbstverständlich. An sich scheint die Zeit in reiner
Gleichmäßigkeit dahinzufließen, wie man sagt, als reine Aufeinan-
derfolge, als Nacheinander schlechthin. Wäre aber die Zeit ein b l o -
ß e s Nacheinander, so zerfiele sie! Die zeitliche „Gestalt“, das zeit-
liche „Gebilde“ ist eine Überwindung des Nacheinander, gleichwie
wir es oben in der Erinnerung sahen
2
. Der letzte Grund dafür ist
die Stetigkeit. Sie allein macht, daß die Zeitteile nicht außer-ein-
ander, nicht im strengen Sinne nacheinander sind. Wäre das der
Fall, dann wären sie auch gegeneinander völlig gleichgültig. In der
Zeitgestalt, im Rhythmus, wird gezeigt, daß sie nicht gegeneinander
gleichgültig sind, sondern auch formell zu einem Zeitmaße, zu
einer Gestalt, vereinheitlicht werden können. Die Stetigkeit, welche
macht, daß die Zeitteile sich berühren, statt außer-einander, statt
getrennt nacheinander zu sein, erkannten wir aber als das Überzeit-
liche, das Zeitlose in der Zeit.
In ähnlichem Sinne wird sich die Stetigkeit als die Bedingung der Gestalt im
Raume erweisen
3
.
1
Siehe unten S. 378 f.
2
Siehe oben S. 344 f.
3
Siehe darüber unten S. 366 ff. und 370 ff.