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dadurch, daß ihm die höhere Ganzheit „Staat“ innewohnt; ein
Organ als „Herz“ nur dadurch, daß ihm die höhere Ganzheit „orga-
nisches Leben“ innewohnt. „Das Ganze wird in den Gliedern gebo-
ren“, so sprachen wir / diese Tatsache in der „Kategorienlehre“
aus
1
. Wir können auch sagen: Das Ganze wohnt seinen Gliedern
ein, ist den Gliedern immanent.
Entscheidend ist nun, daß es bei dieser Einwohnung oder Be-
faßtheit sein Bewenden nicht hat! Denn das Ganze wird zwar in
den Gliedern geboren, es geht aber in den Gliedern nicht unter
2
,
es bleibt trotz der Ausgliederung bei sich selbst, es bleibt dem
Ausgegliederten transzendent. Von der Einwohnung oder Imma-
nenz hinaus zur Jenseitigkeit oder Transzendenz führt der Begriff
der R ü c k v e r b u n d e n h e i t . Dasselbe Ganze nämlich, das sich
von einem Höheren befaßt findet, findet sich in seinem Sein damit
nicht erschöpft, daß es sich selbst gleich ist; sondern es findet sich in
dem ausgliedernden, höheren Ganzen außerdem enthalten, es findet
sich in dem Ausgliedernden rückverbunden. Jedes Ganze findet sich
also sich selbst gleich und in sich selbst begründet: die Identität; und
findet außerdem sein eigenes Dasein in der ausgliedernden G a n z -
h e i t e n t h a l t e n und es dadurch erst letztlich begründet: die
Selbfremdheit, das selbfremde oder das rückverbundene Sein. Die
Selbfremdheit oder Rückverbundenheit ist es, welche die Jenseitig-
keit oder Transzendenz im Begriffe der Ganzheit darstellt. Da nun
Rückverbundenheit vor Ausgliederung, Selbfremdheit vor Selb-
gleichheit ist
3
, so ist in der Ganzheit Jenseitigkeit vor Einwoh-
nung, Transzendenz vor Immanenz. (Vorrang der Jenseitigkeit.)
Hiermit ist die entscheidende Lösung gewonnen. Weder Tran-
szendenz allein noch Immanenz allein können genügen. Beides ver-
wickelt in unlösbare Widersprüche. Nur die im B e g r i f f e
d e r R ü c k v e r b u n d e n h e i t l i e g e n d e E i n h e i t
v o n
T r a n s z e n d e n z u n d I m m a n e n z u n t e r d e m V o r -
r ä n g e d e r T r a n s z e n d e n z i s t i m s t a n d e , a l l e
W i d e r - / S p r ü c h e a u f z u l ö s e n , die sich bisher aus
dem Verhältnisse der Idee zu den Dingen ergaben.
1
Vgl. meine Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 62 ff.
2
Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 82 ff. — Siehe oben S. 38 und 42 ff.
3
Vgl. meine Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 300 f. und öfter sowie
oben S. 43 f.