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Der Annahme folgt die eigene Tätigkeit des Geistes; der Vollzug
des Schaffens folgt dem Geschaffenwerden.
Die Kraft zur Annahme der Eingebung gibt dem Menschen die
geistige Gemeinschaft, oder, wie sie Spann nennt, die G e z w e i -
u n g . Das Gezweiungsbewußtsein, das Bewußtsein der Verbunden-
heit mit den anderen Menschen gibt unserem Leben Liebe, Hingabe,
Begeisterung, Opferbereitschaft. Es ist auch die Grundlage der Sitt-
lichkeit, all unserer Erkenntnis des G u t e n .
Mit dem Übergang von der Annahme der Eingebung zum schaf-
fenden Vollzug ist die Unterscheidung des Ich vom Eingegebenen als
einem Gegenstand oder Objekt, ist das Subjekt-Objekt-Verhältnis
mitgegeben, das die Grundlage des denkenden Erkennens darstellt.
Im Denken sieht Spann die Form der Ausgliederung des mensch-
lichen Geistes, mit der auch die Rückverbindung des Gedachten mit
dem Denkenden gegeben ist. Im Denken, das Spann ein Abbild
des göttlichen Lebens ist, tritt der menschliche Geist in den Bereich
lauterer Wirklichkeit, in ihm ist das Geschaffene selbst schaffend.
In der Ordnung des Denkens ist mit menschlichem Geist ein Richt-
maß, ein unmittelbares Erkennen der sachlichen Richtigkeit, der
W a h r h e i t verbunden.
Das Erkannte drängt nach G e s t a l t u n g , die im mensch-
lichen Bereich, im Bereich des Zeiträumlichen, des Stoffes als Mittel
des Ausdruckes bedarf. Auch im Bereich des Gestaltens herrscht
eine normative Ordnung, die des Schönen, die im Rahmen der
Ideenlehre noch behandelt wird. In diesem Bereich tritt uns Ver-
bundenheit des menschlichen Geistes mit dem Stofflich-Leiblichen
in ihrer besonderen Eigenart entgegen. Spann nennt diese Ver-
bundenheit die G e z w e i u n g h ö h e r e r O r d n u n g . Die
geistige und stoffliche Welt sind ihm getrennte, deutlich geschie-
dene Bereiche. Das Stoffliche ist ebenso verwirklicht wie das Gei-
stige, der Unterschied zwischen beiden kann durch allmähliche
Übergänge nicht überbrückt werden. Alle Versuche einer solchen
Überbrückung, auch jene, die die größten Denker seit der Antike
gewagt haben, scheiterten und mußten scheitern.
In kritischer Besonnenheit weist Spann darauf hin, daß Geist
sich nie zu verstofflichen oder zu verräumlichen vermag (Verräum-
lichung eines Vorsinnlichen kennzeichnet nach Spann das Wesen
des Stofflichen), „stets muß er g e g e b e n e stoffliche Elemente
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