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Die gesellschaftlichen Tatsachen, sagten wir, liegen nicht wie

Kieselsteine zum Greifen vor uns. Sie müssen durch unsere eigene

Geistestat erst nachgeschaffen werden. Durch dieses Nachschaffen

erst werden sie ihrem Sinne nach erfahrbar — verstanden! Zum Bei-

spiel muß jeder, der „Rechtstatsachen“ feststellen will, wissen, was

„Recht“ seinem Sinn- und Geistesgehalte nach sei.

Es gibt nun zwei grundsätzliche Arten, die gesellschaftlichen Er-

scheinungen in ihrer letzten Wurzel, ihrer innersten Art nach-

schaffend aufzufassen und zu bestimmen: die vom Einzelnen aus-

gehende, individualistische oder atomistische und die vom Ganzen

ausgehende, universalistische oder ganzheitliche. Ohne einer dieser

Arten des Auffassens der gesellschaftlichen Erscheinungen zu folgen,

gibt es keine Tatsachenfeststellung, keine Forschung in den Gesell-

schafts- und Wirtschaftswissenschaften.

Der Verfasser hat den Unterschied beider Auffassungsweisen in

einer Reihe von Schriften ausführlich entwickelt. Gleichwohl muß

das Allerwesentlichste hier wiederholt werden, wenn auch für eine

genauere Ausführung und Begründung auf jene Schriften zu ver-

weisen ist

1

.

Die Erkenntnis, daß es sich bei den Begriffen „Individualismus“

und „Universalismus“, Einzelheitslehre und Ganzheitslehre, um die

letzten grundsätzlichen Auffassungsweisen a l l e r gesellschaftlichen

Erscheinungen, daher auch der staatlichen, rechtlichen, wirtschaft-

lichen usw. handle, ist heute weder in der allgemeinen Gesellschafts-

lehre noch in den gesellschaftlichen Einzelwissenschaften lebendig.

Sie wird sogar immer wieder bestritten

2

. Aber warum? Lediglich

1

Vgl.: Gesellschaftslehre, 3. Aufl., Leipzig 1930, insbesondere S. 31 ff. und

84 ff.; Fundament der Volkswirtschaftslehre, 4. Auf.., Jena 1929; Tote und leben-

dige Wissenschaft, 4. Auf.., Jena 1935; Der wahre Staat, 4. Auf.., Jena 1938;

Kategorienlehre (= Ergänzungsbände zur Sammlung Herdflamme, Bd 1), 2. Aufl.,

Jena 1939; Der Schöpfungsgang des Geistes (= Ergänzungsbände zur Sammlung

Herdflamme, Bd 3), Jena 1928; ferner die Aufsätze Universalismus und Soziolo-

gie, in; Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl., Jena 1926 und 1928.

Weiteres Schrifttum siehe unten S. 24 f.

2

Für die Auseinandersetzung mit der heutigen Gesellschaftslehre verweise