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w e i l d i e U n t e r s u c h u n g d e r T a t s a c h e n , b e v o r

s i e n o c h b e g i n n t , schon individualistisch oder universali-

stisch eingestellt sein muß, sind Individualismus und Universalismus

überall ihre unentbehrliche Voraussetzung. Die „Tatsachen“ selbst

kommen ja erst durch die individualistische oder universalistische

Grundauffassung in ihrer entscheidenden Bestimmtheit zur Er-

scheinung. Daher ist von grundlegender Bedeutung, daß man zu-

erst die Fragestellung „Individualismus—Universalismus“ genau

verstehe.

I. Die Fragestellung

Wird die Frage nach dem Wesen der Gesellschaft richtig gestellt,

dann bleiben nur zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Ist „Gesell-

schaft“ eine bloße Ansammlung von Erscheinungen, die alle in den

einzelnen, für sich / selbst gedachten Menschen ihren letzten Ur-

sprung haben; oder ist sie eine eigene, überindividuelle Wirklich-

keit? Mit anderen Worten: Was ist das logische Erste, der Einzelne

oder die Gesellschaft, der Teil oder das Ganze? Ein Drittes, ein

Mittleres ist ausgeschlossen.

Demgemäß kann der Begriff der „Gesellschaft“ nur gefaßt wer-

den: entweder erstens nach der Art einer A n s a m m l u n g , z. B.

eines Sandhaufens oder eines Mechanismus, in dem jeder Einzelteil

ein selbständiges, in sich beruhendes Dasein führt und wo alle diese

Teile bloß durch eine von außen kommende Kraft, das heißt me-

chanisch zur Wirksamkeit gelangen; oder zweitens nach der Art

einer selbständigen G a n z h e i t , z. B. eines Organismus, in wel-

chem die Teile nur verhältnismäßig selbständig sind und als Glie-

der, das heißt als Verrichtungsträger, ihr Dasein führen, in welchem

sie allerdings Eigenleben haben, aber zuletzt doch nur im Rahmen

der Lebenskraft des Ganzen.

Der Begriff des „Organismus“ darf aber in diesem Falle nicht wieder als

bloßer Inbegriff chemisch-physikalischer Vorgänge, er muß als ein Übermechani-

sches gefaßt werden. Erst in diesem Falle kann „organisch“ als Beispiel für „uni-

versalistisch“ und „ganzheitlich“ gelten; im anderen Falle gleitet das Denken

wieder ins Atomistische, Mechanistische hinab.

Die erstere Ansicht, wonach die Einzelnen, die Individuen, das

Erstwesentliche, der alleinige Grund der Gesellschaft seien, daher