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Gesellschaft und Staat in ihrem Wesen als bloßer Verein gekenn-
zeichnet. Ob dieser Vorgang der Abschließung des Urvertrages als
geschichtliches Ereignis oder, wie andere Naturrechtler wollen, nur
als logische Unterstellung aufzufassen sei, ist dabei unwesentlich.
Wesentlich ist lediglich der Begriff des Staates und der Gesell-
schaft als einer bloßen Schutz- und Sicherheitsorganisation, welche
den Grundsatz der persönlichen Freiheit und der inneren Autarkie
ihrer Mitglieder zu wahren hat, entsprechend dem bloßen Sum-
mationsbegriffe von Gesellschaft, dem bloßen nothaften, utilitari-
schen Ursprunge des ganzen gesellschaftlich-staatlichen Gebildes.
In der Volkswirtschaftslehre stellen die Lehren von Q u e s n a y ,
S m i t h , R i c a r d o und ihren Schulen, ferner der ganze wirt-
schaftspolitische Liberalismus und die Freihandelsrichtung, endlich
auch die österreichische, anglikanische und romanische Grenznut-
zenschule bloße Abwandlungen der naturrechtlich-individualisti-
schen Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsauffassung dar
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III. Der Universalismus
Ganz anders gestalten sich die Antworten des Universalismus auf
die eben behandelten Fragen. Der Universalismus ist indessen nicht
die gerade Umkehrung des Individualismus — der größte Fehler,
der heute in der Regel bei Beurteilung des Gegenstandes gemacht
wird! Wenn der Individualismus jene Ansicht von Gesellschaft und
Staat ist, welche den Einzelnen über das Ganze stellt, so ist der Uni-
versalismus nicht umgekehrt eine Theorie, die schlechthin das Ganze
über den Einzelnen stellte und damit den Einzelnen für nichtig
erklärte. Nur manche schlechten, äußersten Formen des Universalis-
mus gehen so weit, grundsätzlich aber behält der Einzelne auch
für das universalistische Denken seinen unverlierbaren inneren
Wert und auch seine sittliche Selbstbestimmung. Was ist nun unter
diesen Umständen der Universalismus?
Eine so einfache Auseinanderlegung der Grundgedanken und Ab-
arten wie beim Individualismus ist für die universalistischen Theo-
rien nicht möglich, da ihre Probleme weit schwieriger und ver-
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Siehe unten S. 272 ff., Anhang: Die philosophischen Voraussetzungen der
Volkswirtschaftslehre.