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[103]

Ferner ergibt sich aus dem Früheren der Satz:

(14)

S t a a t i s t v o r W i r t s c h a f t — ein Sonderfall seiner

Eigenschaft als Höchststand

1

. — Dazu ergibt sich die Stufenleiter:

Wirtschaftsorganisation ist vor Wirtschaft; aber staatliche Orga-

nisation (Staat) ist vor Wirtschaftsorganisation.

Die Vorgeordnetheit vor allem anderen Handeln belehrt uns aufs

eindringlichste über die h o h e W ü r d e d e s S t a a t e s . Der

Staat ist nichts Äußerliches, kein bloßer Sicherheitsverein, keine

Wach- und Schließgesellschaft; sondern, ebenso wie das veranstal-

tende Handeln überhaupt, die hervorreizende Wirklichkeit des

alles Geistige und Empfindende in der Gesellschaft entfaltenden

Handelns sowie des ihm dienenden Handelns (der Wirtschaft). Da er

als höchster Stand dazu noch die Tätigkeit der übrigen Stände regelt,

also wieder d e r e n hervorreizendes Tun überhöht, so umfaßt er

die ganze Totalität des Lebens. Daher sagen wir noch einmal: Staat

ist nichts Äußeres, kein lästiger Kostgänger der Einzelnen (z. B. als

Steuer- und Zolleinnehmer); sondern die Einzelnen sind — sei es

als Staatsbürger, sei es als Wirtschafter, sei es mittelbar selbst als

Kirchenbürger, sei es als Handelnde in irgendeinem andern Sinne —

alle in unmittelbarer oder in vermittelter Weise die Glieder und

Kinder des Staates.

Zusatz über das Verhältnis von Kirche und Staat

Wenn oben der Satz ausgesprochen wurde: „Staat geht vor Kirche“, so kann

das doch niemals eine schlechthinnige Herrschaft des Staates über die Kirche

bedeuten. Die genaue Sachlage ist vielmehr folgende: Religion hat den Vorrang

vor der Kirche; Kirche ist die Veranstaltung des religiösen Lebens und in diesem

Sinne eine Sonderanstalt; Religion hat aber auch den Vorrang vor dem Staate!

Daraus folgt, daß der Staat zwar als höchste Anstalt über die Sonderanstalt

Kirche herrscht; daß er a b e r s e i n g e i s t i g e s P r i u s e b e n s o i n

d e r R e l i g i o n f i n d e t w i e d i e K i r c h e s e l b s t , und zwar: in der

von der K i r c h e v e r a n s t a l t e t e n u n d g e f o r m t e n R e l i g i o n ,

denn eine andere gibt es nicht.

Andererseits kann nicht widersprochen werden, wenn aus dem Vorrange des

Metaphysischen die T h e o k r a t i e gefolgert wird. Jedoch kann sie nach ihrem

Scheitern im Mittelalter für die abendländische Menschheit praktisch nicht mehr

in Frage kommen. In diesem Sinne besteht in jeder rechten Gesellschaftsordnung

trotz f o r m e l l e r Oberherrschaft des Staates eine geistige Oberherrschaft der

Religion durch die Kirche, gleichsam eine heimliche, mittelbare T h e o k r a t i e .

Siehe auch oben, Satz (9), S. 150.