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und ihre Kraft gibt; das heißt: die Ganzheit der Volkswirtschaft ist vor der
Wirtschaftshandlung des Einzelnen;
2. daß der W i r t s c h a f t s v e r b a n d n i c h t d i e S u m m e E i n -
z e l n e r m i t i h r e n E g o i s m e n i s t , s o n d e r n T r ä g e r e i n e r
b e s t i m m t e n A u f g a b e i m V e r r i c h t u n g s p l a n e
d e s
G a n z e n
d e r V o l k s w i r t s c h a f t . Anders gesagt: der Wirtschaftsverband ist nicht
ein großes Individuum mit einem großen Egoismus, sondern er ist zum O r g a n
der Volkswirtschaft geworden! Der „Eigennutz“ des Verbandes kann darum
in Wahrheit nichts anderes sein — und darf nichts anderes sein, bei Strafe des
Mißerfolges auf die Dauer — als die Triebkraft und das Streben, die ihm a n g e -
m e s s e n e Stelle im Verrichtungsplane des Ganzen zu erlangen. Denn, wie
gesagt, nicht die „Selbsthilfe“ der Einzelnen und der Egoismus der Gruppe ist
das wahre, das tiefere und echte Wesen des Wirtschaftsverbandes, sondern
dieses: Organ, Verrichtungsträger im Ganzen der Volkswirtschaft zu sein. Wor-
aus schöpft z. B. der Wirtschaftsverband der Eisenbahner seine Daseinsberech-
tigung und Daseinsmöglichkeit? Doch nicht aus dem Privategoismus seiner Mit-
glieder! Vielmehr lediglich aus der Stellung der Eisenbahn-Leistungen im gegen-
seitigen, im organischen Aufbau aller wirtschaftlichen Leistungen. Würde da-
gegen durch das Flugwesen die Eisenbahnleistung überflüssig, so nützt der ganze
Privategoismus des Eisenbahnerverbandes nichts: man würde die Eisenbahner-
leistung (wenn auch unter Schonung der Personen, z. B. durch Umschulung) ab-
bauen und die Fliegerleistung erweitern! Und steht es im Grunde nicht so bei
jedem Verband? Als die Buchdrucker zur Zeit der Hochflut der Inflation sich
ihren Lohn in Dollar erstreikten, hatten sie zwar die Macht, diesen Berufsegois-
mus durchzusetzen — aber sie hatten nicht die Macht, ihre o r g a n i s c h e
S t e l l u n g im Ganzen der Volkswirtschaft zu ändern! Denn da ihren Er-
zeugnissen eine so hohe Bedeutung nicht zukam, Buch- und Zeitungsverleger usw.
bei den unerschwinglichen Preisen vielmehr ihre Erzeugung einstellen mußten,
lagen die Betriebe bald still und die Arbeiter mußten entweder abwandern (was
zum Teil geschah), oder, was bald folgte, ihre Forderungen wieder so weit zu-
rückschrauben, daß die Branche als solche leben konnte. Die Setzer hatten einen
Augenblick lang vergessen, daß sie nur Verrichtungsträger in einer organisch
gefügten Ganzheit der Volkswirtschaft waren — und die Strafe folgte auf dem
Fuße. (Ähnliches passiert täglich Kartellen und Verbänden, die ihre Forderungen
überspannen, nur wird der Fehler, weil weniger kraß, nicht so klar zutage treten,
die krisenhaften Folgen weniger sichtbar usw.)
Daraus ergibt sich ganz allgemein für beide Lager: n i c h t d e r a u g e n -
b l i c k l i c h g ü n s t i g e P r e i s d e r L e i s t u n g d a r f w e s e n s g e -
m ä ß d a s A b z i e l e n d e r W i r t s c h a f t s o r g a n i s a t i o n e n s e i n ,
s o n d e r n d i e E r o b e r u n g u n d B e h a u p t u n g j e n e r
richtigen,
j e n e r
organischen
S t e l l u n g , d i e i n e i n e m W i r t s c h a f t s -
z w e i g e i m R a h m e n d e r G l i e d e r u n g d e r V o l k s w i r t s c h a f t
e n t s p r i c h t : und zwar ist dies jene, die ihm namentlich nach der in ihm
angelegten Kapital- und Arbeitsmenge und nach seiner Wichtigkeit zukommt.
Daß es eine angemessene, eine r i c h t i g e , eine organisch wesensgemäße
Stellung für jeden Wirtschaftszweig (beziehungsweise für den ihn organisieren-
den Verband) gibt — dies einzusehen ist das Entscheidende! Gibt es doch auch im
Betriebe eine Gesamtgliederung, aus der die richtige Stelle, der richtige Umfang
für die Verwendung einer Maschine, eines Arbeiters folgt. Ebenso bedingt die
Gesamtgliederung der Volkswirtschaft eine bestimmte, o r g a n i s c h r i c h -
t i g e Stellung und Ausdehnung jedes Wirtschaftszweiges. Es ergibt sich daraus,
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