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daß die Verwaltungen der großen Kartelle und Wirtschaftsorganisationen
gänzlich fehlgehen, wenn sie sich in das Chaos der Macht- und Eigennutzkämpfe
der großen und kleinen Wirtschaftsatome hineinstürzen! Nicht für sich dürfen
sie recht eigentlich auf die Dauer sorgen, sondern für das Ganze! Uber diesen
Satz werden vielleicht manche Wirtschaftspraktiker zu lächeln versucht sein
und ihn als lebensfremde „Theorie“ abtun wollen. Es genügt aber, nur an die
Inflationserscheinungen zu erinnern und an die gesetzlichen Verfügungen, die sie
mit sich brachten, deren Sinn ja offenkundig (man verstand ihn allerdings oft
nur halb) die Herstellung jeweils gesunder Gliederungen war. Man kann dies
Gesagte auch nüchterner ausdrücken und einfach sagen: Den großen Wirt-
schaftsverbänden schreibt ihre Natur vor, in erster Linie volkswirtschaftlich
richtige Produktionspolitik zu machen und e r s t a u f d i e s e r G r u n d l a g e
Interessenpolitik. Denn auf die Dauer ist die letztere nur möglich, wenn sie auf
ersterer fußt! Nie und nimmer war auf die Dauer erfolgreiche Wirtschaft mit
Krämersinn einerlei, ebensowenig wie mit Schwindel.
Wenn die dargelegte organische Auffassung vom Wesen der Wirtschafts-
verbände durchdringt, werden sie allmählich von selbst den Charakter der nack-
ten „Interessenverbände“ verlieren (wozu sie sich auch schon gegenseitig zwin-
gen müssen) und sich zu O r g a n e n d e r S e l b s t v e r w a l t u n g d e r
W i r t s c h a f t umbilden — zur modernen Zunft, zum Stande!
S t a n d aber ist eine Organisation erst dann, wenn er seine Besonderheit
zugleich als Form, Organ der Ganzheit hat.
Zu solchem Ende werden allerdings auch große morphologische Änderungen
des heutigen wirtschaftlichen Organisationswesens nötig sein. Vor allem muß
die rein h o r i z o n t a l e G l i e d e r u n g s o w i e d i e T r e n n u n g in Ge-
werkschaften und Arbeitgeberverbände überwunden werden.
Diese und ähnliche Einzelheiten werden übrigens die geringste Sorge bilden,
Einsicht und Wille sind es, worauf alles ankommt. Es ist der Geist, der sich
den Körper baut. Ist einmal der Irrtum der atomistisch-individualistischen Wirt-
schaftsauffassung überwunden und eine organisch-ganzheitliche an ihre Stelle
getreten, dann ist der Weg frei vom Berufsegoismus zur Berufsgegenseitigkeit,
vom Interessenverband zum Stand.
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XV. Die Erziehung
Nicht mehr der Ausgliederungsordnung allein, sondern zugleich
auch der Umgliederungsordnung, das ist der Umbildung der Ge-
sellschaft, der Geschichte, gehört die Erziehung an. Denn die Er-
ziehung ist durch eine außergesellschaftliche Tatsache bedingt, da-
durch, daß Menschen unaufhörlich sterben und neu geboren werden.
Durch diese reinen Naturtatsachen — also nicht durch Tatsachen
der Gesellschaft — ist eine fortwährende N e u e i n g l i e d e -
r u n g von Menschen, damit aber eine U m g l i e d e r u n g des
Gesamtganzen nötig. Diese kommt geistig in der Erziehung, phy-
siologisch und wirtschaftlich in der B e v ö l k e r u n g s b e w e -
g u n g , wie sie die Statistik schildert, zum Ausdruck.