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3.

Sind Spannungen zwischen den gesellschaftlichen Teilinhalten und

Stufen wesensnotwendig oder wesenswidrig?

Nach dem Gesagten ist es begreiflich, daß die Geschichte auch von

solchen Spannungen zwischen den Teilganzen und Stufen der Ge-

sellschaft erfüllt ist, die darin begründet sind, daß das E i g e n -

l e b e n der einzelnen Gesellschaftsgebiete in Widerspruch zuein-

ander gerät, und zwar sowohl der Zeitdauer der Entfaltungen nach,

wie dem inneren Gehalte nach. Grund der Spannung wären dann

nicht unmittelbare, formelle Brüche, sondern sehr vermittelte und

verschleierte, oft unbewußte Brüche in Form von Widersprüchen

aus dem Eigenleben der gesellschaftlichen Teilgebiete. Im beson-

deren wären das:

Widersprüche oder Spannungen zwischen den geistigen Teilinhal-

ten untereinander, z. B. zwischen Religion und Wissen; / Spannun-

gen zwischen den Stufen untereinander, z. B. der Weltreligion und

ihrer völkischen Unterstufe, der Weltwirtschaft und Volkswirt-

schaft, der Staatengemeinschaft und dem einzelnen Staate;

Spannungen zwischen dem Geistigen und dem Handeln, insbe-

sondere dem anstaltlichen Handeln, z. B. Spannungen zwischen

Religion und Kirche, Volkstum und Staat;

Spannungen zwischen den aus den vorgenannten ursprünglichen

Gebilden abgeleiteten Gebilden, z. B. zwischen den Bildungsschich-

ten eines Volkes.

Diese Spannungen kann man im Sinne der heutigen Modeaus-

drücke neukantischer Herkunft auch als „Wertgegensätzlichkeiten“,

„Wert-Antinomien“, „Wertrelativitäten“, wenn nicht als „Anarchie

der Werte“ bezeichnen. Hierin liegt die Behauptung, es handle sich

um grundsätzliche, um unauflösliche Spannungen.

Statt all der vielfältigen Meinungen, welche über diese Spannun-

gen der Gesellschaftsteile bestehen, hier einige Hinweise: P l a t o n s

Verbannung bestimmter Kunstrichtungen und Kunstübungen aus

seinem „Staat“ wurde oft als grundsätzlicher Gegensatz von Kunst

und Staat oder Kunst und Sittlichkeit gedeutet. — Nach der Ge-

sellschafts- und Geschichtsauffassung der A u f k l ä r u n g , sowie

des I n d i v i d u a l i s m u s überhaupt, bestehen unheilbare Gegen-

sätze vor allem zwischen dem Staate und dem Einzelnen, sowie dem

Staate und dem Volke; ferner auch zwischen dem Staate und dem