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gewaltige Durchdringungsaufgabe lag, sondern daß ihm bereits an-

dere, und zwar nicht geglückte Kulturdurchdringungen voraus-

gingen.

Eine Durchdringungsaufgabe lag schon für das ältere Rom darin, daß es sich

mit anderen, wenn auch wohl sehr verwandten Völkern Italiens, besonders den

Etruskern, zu vereinigen hatte

1

. Gefährlich / wurde aber erst, daß das römische

Volk nach dem zweiten punischen Kriege (218—201) unter Kulturzusammen-

stößen, denn so muß man sie nennen, zu leiden hatte. Blitzartig beleuchten das

die damaligen Versuche, Religionsmischungen zu verhindern. Ins 2. Jahrhundert

v. Chr. fallen die Verbote der bacchischen Mysterien (186), die Verbrennung der

heiligen Bücher des (etruskischen) Königs Numa (181), die Austreibung der grie-

chischen Philosophen und orientalischen Astrologen. Im 1. Jahrhundert v. Chr.

dringt der ägyptische Isiskult ein. Im 2. Jahrhundert nach Chr. hat er schon all-

gemeine Bedeutung. Kaiser Kommodus (

192) ließ sich in die Mithrasgemeinde

aufnehmen. Der damit eng verwandte Dienst des Gottes Elagabal drang mit Sep-

timius Severus (

211) vor und wurde durch den Kaiser Elagabal zur Reichsreli-

gion erhoben. Zu diesen und anderen Religionsmischungen, die in den folgenden

Jahrhunderten noch fortgingen, kamen die verschiedenen Mysterien und Einwei-

hungen, schließlich der Kaiserkult selbst.

Mißglückte Kulturdurchdringungen waren es also, die das Römertum derart

schwächten, daß es trotz seiner weit überlegenen, unangreifbaren, weltherrscher-

lichen Stellung dem Eindringen der Germanen — das sich nicht nur in Schlachten,

sondern auch im inneren Gesellschaftsleben vollzog — nicht wehren konnte. Man

kann die inneren Kulturverluste gar nicht hoch genug anschlagen, welche darin

liegen, daß das welterobernde Rom die Heiligtümer aller Völker in sich auf-

nahm, daß es gleichsam zum Pantheon aller Religionen wurde. K e i n V o l k

v e r t r ä g t r e l i g i ö s e n E k l e k t i z i s m u s , a m w e n i g s t e n e i n

t h e o k r a t i s c h e s S t a a t s v o l k w i e d i e R ö m e r , „das frömmste

Volk der Welt“, wie es Polybios nannte.

Diese Vorgänge waren schon unter Cäsar und Augustus weit vorgeschritten.

Daraus folgte der sittlich-staatliche Verfall, daraus die Unfähigkeit, das Steuer-

ruder in der Hand zu behalten, daraus die Notwendigkeit, fremde Kriegsvölker,

fremde Heerführer und schließlich sogar fremde Staatsführer in sich aufzuneh-

men. Schon die späteren Kaiser waren Fremde, Stilicho und Odoaker schlossen

nur diesen Vorgang ab.

Der Ausgangspunkt der V ö l k e r w a n d e r u n g also ist schon durch Kul-

turverluste aus vorheriger mißglückter Kulturdurchdringung bezeichnet. Die

Völkerwanderung selbst stellte eine weitere Kulturdurchdringungsaufgabe.

Man spricht meistens von „ j u n g e n V ö l k e r n “ , die in das alte Rom

eindringen, verdeckt aber damit nur die Denkaufgabe, die hier vorliegt. Denn

was will das besagen? Rein biologisch gesehen waren die Römer genauso jung

oder so alt wie die Germanen. Die Sache ist viel schwieriger. Die römischen

Schriftsteller sprechen vom Einbruch der „Barbaren“. Das / hat ihnen die Wis-

senschaft der ganzen Welt fast bis heute nachgesagt. Besonders die vorgeschicht-

lichen Ausgrabungen zeigen aber, daß die damalige germanische Kultur der rö-

mischen kaum nachstand. Ein größerer Unterschied war gar nicht da, „barbarisch“

1

Vgl. über die römischen Pflanzungen oben S. 233.