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Es ist anzunehmen, daß die Franken einen größeren Rückhalt an den germa-
nischen Hinterländern, deren Herren sie überdies waren, hatten, als jene Ost-
goten, Westgoten und Langobarden. Das bewirkte, daß die Franken ihr Germa-
nentum länger bewahrten. (Das früheste Zeugnis der Trennung des Deutschen
und Romanischen liegt bekanntlich erst in den sogenannten Straßburger Eiden
[842] vor, die Verwelschung muß aber wohl weiter zurückliegen.)
Ferner kann unseres Ermessens die Bedeutung nicht hoch genug angeschlagen
werden, welche der langen Reihe großer H e r r s c h e r p e r s ö n l i c h k e i t e n
d e r F r a n k e n , nämlich den Pippiniden, die fast zweihundert Jahre hin- /
durch die Geschicke des Reiches lenkten, zukommt. Was das bedeutet lehrt uns
die Wirksamkeit Karls des Großen selbst, den seine Zeit nicht umsonst als
Lehrer, Leiter und Licht der Christenheit verehrte. Ihm vor allem, der selber
nicht romanisiert, sondern Germane war, ist es zu danken, daß die Kulturdurch-
dringung nicht nur im westlichen Frankenreiche, sondern auch im östlichen
Reiche, in Deutschland, in solche Formen gebracht wurde und so gründliche
Unterlagen erhielt, daß sie verhältnismäßig gut gelingen konnte. Das Gelingen
kündigte jener Aufschwung des geistigen Lebens an, welchen man mit dem
Namen einer „karolingischen Renaissance“ zu bezeichnen pflegt.
Hiermit sind wir auf jene Kulturdurchdringungen hingewiesen,
die sich in D e u t s c h l a n d selbst vollzogen.
Man darf nämlich nicht vergessen, daß auch die rein gebliebenen
Germanenstämme des ostfränkischen Reiches eine Kulturdurch-
dringungsaufgabe zu lösen hatten. Denn daß die alte völkische
Religion auf gegeben und das Christentum eingeführt wurde; daß
mit ihm die lateinische Bildung und Sprache zur herrschenden er-
hoben werden mußte; daß die römische Kirche gleich einem Uber-
staate alle Ordnungen überhöhte und überformte — das war ein
Bruch, nicht nur mit der Religion an sich selbst, sondern auch fast
mit dem gesamten Bildungsgute. Die gesamte Dichtung der Götter-
sage und Heldensage, wovon uns die Edda und zum Teil die Lango-
bardenchronik des Paulus Diakonus sowie die Sagas eine Vorstel-
lung geben; auch die gesamte heidnische Theologie, von der man
nicht zu gering denken darf, wenn man die Idee der „Götterdäm-
merung“ und des Einheriertums, die den Menschen als Gottesstrei-
ter auffaßt; ferner all die gewiß nicht zufälligen Entsprechungen in
der sonstigen indogermanischen Theologie (iranische und altvedische
Theologie) in Betracht zieht: all’ dies mußte mit der Religion unter-
gehen. Diese alten Grundlagen der Kultur mußten auch für die
nichtromanisierten Germanen abgebrochen werden, sie sollten eine
Kultur, deren Schrifttum in fremder Sprache niedergelegt war, an-
nehmen und ihr eigenes geistiges Schaffen künftig / in fremder