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im schlimmen Sinne waren die eindringenden Germanen nicht — wie ja auch

des Tacitus Lob auf das Germanentum beweist, wie die Vandalen später bewie-

sen, die wie alle Germanenstämme den Römern in sittlicher Hinsicht weit über-

legen waren. Warum sprechen die Römer dennoch von Barbaren, warum hat es

die Geschichtsschreibung geglaubt, warum ist die Lehre von der „Kulturzäsur“

enstanden? Wie kommt man zu einer solchen Annahme bei so hoher Kultur der

Germanen, die in Wirklichkeit schon Menschenalter vorher den römischen Staat

mitbestimmten, ja ihn führen? Die Wahrheit ist, daß die sich entgegenstehenden

völkischen Kulturen einander zu fremd waren, daß die Kulturdurchdringung

zwischen Römern und Germanen nirgends gelang, vielmehr dauernd unfrucht-

bare Spannungen auslöste, welche fürchterliche K u l t u r v e r l u s t e b e i d e r

T e i l e bedeuteten. Die Westgoten z. B. bildeten nach der Landnahme eine eigene

kriegerische und staatlich-rechtliche Organisation neben und gegenüber der

römischen; die Ostgoten des Theodorich jedenfalls eine eigene kriegerische Or-

ganisation, während die staatliche Römern und Goten gemeinsam sein sollte;

die Langobarden behielten ihre eigene kriegerische und staatliche Lebensordnung

bei. In keinem dieser Fälle konnte die „Verschmelzung“ in dem Sinne gelingen,

daß eine neue höhere Einheit beider Kulturrichtungen entstanden wäre. Zwar

schlug zuletzt das Lateinertum durch und glich sich das Germanentum an.

A b e r d i e e i n e w i e d i e a n d e r e S e i t e w a r g e s c h w ä c h t , und

zwar das italische Lateinertum, weil schon vorher geknickt, wesentlich mehr als

das gallische.

Wie s o l l t e m a n a u c h d e n d a u e r n d e n i n n e r e n T i e f s t a n d

I t a l i e n s e r k l ä r e n , d e r w e i t b i s i n d a s M i t t e l a l t e r h i n -

e i n r e i c h t e ? Wie die unglaubliche Verkommenheit des Papsttums, die z. B.

Ottos I. Einschreiten allein möglich gemacht hatte; wie das Schweigen fast alles

geistigen Schöpfertums bis Dante? Ja in gewissem Sinne reichte dieser Verfall,

trotz der Renaissance, die fast nur ein Zwischenspiel blieb, bis in das neun-

zehnte Jahrhundert! Und es ist vielleicht nicht zu kühn, die heutige Erneue-

rungsbewegung des Faschismus in diesen geschichtlichen Gesamtzusammenhang

hineinzustellen. — Durch „Rassenverfall“ läßt sich der Tiefstand des romani-

schen Italien jedenfalls nicht erklären, denn gerade der große Zufluß von bestem

germanischem Blute bedeutete trotz asiatischer Sklaven doch eine wesentliche

Aufbesserung der Rasse und hätte sich deutlich geltend machen müssen (wieviel

man auch immer an „un- / günstigen Wirkungen der Rassenmischungen“ ab-

ziehen möge). Die Gründe sind daher geistige und der ursprünglichste unter

allen geistigen Gründen ist: daß beide Teile, der römische wie der germanische

eine tiefgehende Kulturschwächung durch die Kulturdurchdringung, die eben

nicht gelingen konnte, erfuhren. Die Römer mußten zuerst von den Goten,

später von den Langobarden jene unfruchtbaren Brüche mit ihren Spannungen

erfahren.

Auf der anderen Seite kann z. B. die Niederlage des kräftigen Volkes der

Ostgoten, das durch Theodorich eine großartige Erziehung genossen hat, nicht

anders erklärt werden als dadurch, daß dieses Volk bereits innerlich zerrissen

war; und zwar offensichtlich durch die zermürbenden Wirkungen der Kultur-

durchdringungsvorgänge, welche gerade durch Theodorich, der das Unvermeid-

liche voraussah, aufs gründlichste eingeleitet wurden.

Damals standen die germanischen und lateinischen Völker einander gegen-

über, mit ihren eigenen Lebens- und Rechtsordnungen, ihren eigenen Bekennt-

nissen (arianisch gegen katholisch), ihren eigenen Sprachen. Daß beide Völker

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