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Unzulängliche zum Gegner, wie es etwa in den Sätzen zum Aus-
drucke kommt: „Für den Kammerdiener gibt es keinen großen
Mann“ (der Kammerdiener sieht nur das Menschliche), „der Pro-
phet gilt nichts im Vaterlande“ (auch die Umgangsgenossen sehen
nur das Alltägliche); vielmehr ist Schöpfertum zu allen Zeiten vor
einen weit gefährlicheren Gegner gestellt, den U n h o l d . Sein
Wesen ist, durch klugen Schein und Trug als das Gegengenie auf-
zutreten. Dem echten Führer ist es natürlich, die träge Menge auf-
zurütteln; denn sie zu besiegen ist er in die Welt geschickt. Jener
Gegner aber, dem er erliegt und der ihn, und wäre es der glück-
lichste wie Goethe, zu Fall bringt, ist der Unhold. Der Unhold
wirkt, indem er als Scheingröße, genauer gesagt, als G e n i e a f f e ,
auftritt. Das Beispiel für den Genieaffen ist der Räuberhauptmann,
der den König nachäfft. Aber nicht im Spiel. Er ist in seinem Kreise
wirklich König, und hat Gewalt, Mut, Können, jedoch alles auf dem
Grunde des Truges, des Verbrechens, der Unterwelt. Dem Genie-
affen ist es ein Leichtes, sich gegen die wahre Größe mit seinen Ge-
sippen und der Menge zu verbünden.
Der Genieaffe ist die Gestalt, in der das Böse als Macht auftritt
und dem wahren Schöpfergeiste eine Schlacht schlägt, in der er nicht
bestehen kann.
Wer je die Geschichte des Großen schreibt vermag es nur, indem
er auch die Geschichte der falschen Größe schreibt. Sie folgt der
wahren Größe wie ein Schatten nach. Gleichwie / Mozart seinen
Gegenspieler hatte, der ihn vernichtete, so jeder Große, und wenn
nicht einen, dann deren tausende. Diese Erfahrung sprach Schopen-
hauer aus: „Der Neid ist die Seele des überall florierenden, still-
schweigenden und ohne Verabredung zustandekommenden Bundes
aller Mittelmäßigen gegen den einzelnen Ausgezeichneten in jeder
Gattung“
1
. Auch Goethe sprach aus Erfahrung, als er sagte: „Man
will Dich zahm, man will sogar Dich nichtig“; und: „Alles Große
und Gescheite existiert in der Minorität"
2
.
Weil im Gegner des Großen das Böse als Macht auftritt, darum
wird die Erkenntnis des echten Schöpfertums nicht vollendet ohne
1
Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena (1851), Bd 2, § 248.
2
Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren
seines Lebens, 12. Februar 1829.