Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5632 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5632 / 9133 Next Page
Page Background

393

Aus der Ausgliederungsordnung der Ganzheitlichen Logik ge-

winnt Spann die Verfahrenlehre der Geschichte. In ihr als einer

Wissenschaft von ganzheitlichen Strukturen und Zusammenhängen

kann nie Erkenntnis durch bloße Verallgemeinerung einzelner

Tatsachen (also durch Induktionen) gewonnen werden, wohl aber

können einzelne Tatsachen als gliedhaftes Anzeichen, als Ausdruck

der zugehörigen Ganzheiten, zu deren Erkenntnis führen.

II.

Geschichtliche Kategorienlehre

In der geschichtlichen Kategorienlehre entwickelt Spann die neun

grundlegenden Kategorien oder Seinsweisen der Geschichte in sy-

stematischem Zusammenhang.

Die tragende Seinsweise alles Geschichtlichen, die Urkategorie

alles Werdens in der Zeit, ist die U m g l i e d e r u n g . In ihr, „dem

unaufhörlichen Zurückgenommen- und Neuausgegliedertwerden“

1

offenbart sich das Leben der geschichtlichen Welt. Sie ist die Quelle

ihrer stetigen Verjüngung.

„Alle Geschichte ist Umgliederung einer Ganzheit: des Staates,

des Geisteslebens, des Volkes, der Menschheit, schließlich der Ein-

zelnen als der Glieder aller dieser und anderer Ganzheiten“

2

.

Vollzieht sich Umgliederung in reiner, wesensgemäßer Weise, so

ist sie v o l l k o m m e n , geschieht sie in wesenswidriger Weise,

verfehlt sie manche ihrer Ziele, so ist sie u n v o l l k o m m e n. Im

geschichtlichen Bereich gibt es keine Vollkommenheit. In ihm tritt

uns ständig Fehlumgliederung in allen Formen entgegen, so daß

Spann von der U n e r s c h w i n g l i c h k e i t (der Unerreichbar-

keit) des Vollkommenen in der menschlichen Welt sprechen muß.

Aus den Fehlumgliederungen, die dem Mißbrauch der Selbstän-

digkeit der Glieder (ihrer Korruptibilität) entspringen, kommt es

zur Spannung zwischen S e i n u n d S o l l e n . Alles Sein aber ist

seinem Wesen, seinem ursprünglichen Ansatz nach vollendet, ist

g e s o l l t e s S e i n . Erst der Mißbrauch der Freiheit der Glieder

verhindert Vollkommenheit, Vollendung in der geschaffenen Wirk-

lichkeit.

1

Siehe oben S. 116.

2

Siehe oben S. 117.