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könnte ohne diese Form gar nicht denken. — Nicht ein neuer Be-

griff ist es also, den der Apriorismus zuerst aufstellt; sondern eine

neue Eingebung, eine neue innere Gewißheit ist es, die zur Auf-

stellung neuer begrifflicher Unterscheidungen hinführt. Ohne diese

innere Gewißheit vom Wesen des Geistes hätte Kant keine anderen

Begriffe auf dieselbe äußere Tatsache gründen können als Hume.

Allerdings müssen die Begriffe, die auf das Erlebnis gegründet

werden, sich ihrerseits erst fruchtbar erweisen und so das Erlebnis

bewähren. Aber ohne dieses selbst sind sie gar nicht aufzustellen

noch zu verstehen. Auf die innere Erfahrung also kommt alles an.

Man kann diese innere Erfahrung oder Eingebung auch einfach als

das u n m i t t e l b a r e I n n e w e r d e n e i n e s U n v e r -

b r ü c h l i c h e n i n u n s e r e m D e n k e n w i e i n u n s e -

r e m s i t t l i c h e n W o l l e n bezeichnen. Diese Eingebung

erst zeigt uns den Geist in seiner Ursprünglichkeit, seiner Würde

und Überlegenheit gegen das Naturhaft-Mechanische und Wechseln-

de der stofflichen Voraussetzungen.

B.

Die b e g r i f f l i c h e n F o r m e n d e s A p r i o r i s m u s

1

1 . D e r G r u n d b e g r i f f

Die Aufgabe, welche aus der neuen inneren Haltung notwendig

folgt, ist: Das Denken in seiner Selbstgewißheit auch begrifflich zu

rechtfertigen. Nicht eine bestimmte Wahrheit soll als wahr, sondern

die Möglichkeit der Wahrheit selbst soll bewiesen werden. Der

Grund- und Urbegriff, der das allein leisten kann, ist der Begriff

eines U r s p r ü n g l i c h e n im menschlichen Geiste, eines Ur-

sprünglichen, das nicht aus dem Stoffe der Sinneserfahrung stammt.

Man nennt es seit Kant das A p r i o r i , der jüngere Fichte nannte

es das V o r - E m p i r i s c h e .

Diese Begriffsaufgabe ist durchaus aus dem Kampfe gegen den

Empirismus erwachsen, dessen Behauptung, es müsse alles aus der

Erfahrung stammen, der Apriorismus den Beweis entgegenstellt, daß

der Geist eine eigene Erkenntnisquelle in sich selbst habe. Mit den

Worten Leibnizens und Kantens zu sprechen, muß der Grundbegriff

des Apriorismus darin bestehen: die B e d i n g u n g e n , unter