Table of Contents Table of Contents
Previous Page  608 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 608 / 9133 Next Page
Page Background

122

[104/105]

unter den einzigen oben gekennzeichneten philosophischen Gesichts-

punkt stellt. Ebensowenig wie nach Adam Müller die Einheit des

Staates eine Trennung von öffentlichem Recht und Privatrecht dul-

det, ebensowenig duldet die Einheit des Lebens die Trennung von

Staat und Wirtschaft. Mit der geschichtlichen verbindet sich hier also

eine, wie wir heute sagen würden, s o z i o l o g i s c h e , das heißt

auf das Ganze des gesellschaftlichen Lebens gehende Auffassung.

(Gegensatz zu Smiths abstrakter, isolierender Auffassung der Wirt-

schaft.) Den Geist dieser Wechseldurchdringung hat Adam Müller

in folgenden klassischen Worten dargestellt:

„Die richtige, von keiner vorwitzigen Theorie gestörte Ansicht unserer

Vorfahren von der wesentlichen Gestalt des politischen Lebens zeigt

sich... darin, daß sie unter aller Teilung der bürgerlichen Gewerbe

für eine kräftige Vereinigung derselben allenthalben sorgten. Die Künste,

die Wissenschaften sonderten sich ab, aber nur inwiefern sie sich in

eine desto engere Korporation zunftmäßig verbanden. Je mehr sich die

Funktionen eines bürgerlichen Geschäftes unter verschiedene Hände

verteilten, um so kräftiger griff der Meister die zertrennten Fäden wieder

in ein Ganzes zusammen, aber er selbst, der Meister, stand wieder als

Geselle, als einzelner Arbeiter in dem Körper der Zunft: die einzelne

Zunft lebte wieder in einer Art von Ehe mit der Korporation der bür-

gerlichen Gewerbe; das bürgerliche Gewerbe strebte wieder nach Wech-

seldurchdringung mit dem ländlichen Geschäft, welches der Adel re-

präsentierte und, wenn auch dieses höchste / Verhältnis der ökonomischen

Gegenseitigkeit im Staate nirgends ganz und vollkommen erreicht wurde,

so finden wir doch alle ökonomischen Funktionen in einer entschiedenen

Richtung dahin begriffen.“

1

Im Einzelnen bekämpfte Adam Müller Smiths Lobpreisung des

W e t t b e w e r b e s als bildender Kraft der Volkswirtschaft und

stellte ihr die lebendige Kraft des persönlichen Zusammenhanges

aller Glieder der Gemeinschaft in der Zunft- und Gutswirtschaft

entgegen. — Die Trennung von Kapital und Arbeit, welche die

neue individualistische Entwicklung bewirkte, wodurch sie Arbeiter

und „Rentenierer“ (Kapitalisten) feindlich einander gegenüber-

stellte, rügte er scharf

2

und gab die erste, der späteren Marxischen

innerlich weit überlegene K r i t i k d e s K a p i t a l i s m u s . „Der

Geist reagiert unaufhörlich gegen die Teilung und Mechanisierung

der Arbeit, die Adam Smith so hoch anschlägt; der Geist will den

1

Adam Müller: Versuche einer neuen Theorie des Geldes, Leipzig

1816, S. 37 (Ausgabe Lieser).

2

Adam Müller: Gesammelte Schriften, Bd 1, 1839, S. 275 und 279

(Innere Staatshaushaltung).