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127

c.

Beurteilung

Adam Müllers Reichtums- und Fruchtbarkeitslehre, die zum

ersten Male die schöpferische Bedeutung des Geistigen in der Wirt-

schaft betonen, sind unwiderleglich richtig. Seine Geldlehre ist zwar

begrifflich nicht zur Klarheit gediehen, steht aber hoch über dem

oberflächlichen Metallismus Smiths, Ricardos und ihrer heutigen

Nachfolger.

Adam Müllers unsterbliches Verdienst liegt darin, daß er als

erster in der neueren Geschichte und mitten im Siegeszuge eines

individualistischen Zeitgeistes sich eine universalistische Gesamtauf-

fassung der Wirtschaft eroberte und sichere Lehrstücke, ewige

Wahrheiten, die aus der Tiefe eines genialen Schauens, eines feurigen

Instinktes kamen, den Irrtümern von Quesnay und Smith entgegen-

stellte. Im Reichtums-, im Produktivitäts-, im Geldbegriff hat er

zuerst die mechanistische, mengenmäßige, stoffliche Lehre jener Zeit

überwunden und eine Erklärung des Papiergeldes gefunden, die

allein ins Herz der Dinge trifft, und daher auch heute noch die

tiefstgedachte Geldtheorie ist, die wir trotz all der vielen neuen

Lehrbegriffe der Gegenwart haben

1

. Vor Adam Müllers Ideenreich-

tum tritt die bloß dialektische Schärfe Marxens und auch die zer-

gliedernde Kraft Ricardos zurück. In jeder volkswirtschaftlichen

Rätselfrage ist es die Grundtatsache der G e g e n s e i t i g k e i t , die

ihn anlockt, die er zu erforschen versteht — statt der verfälschen-

den Isolierung, der abstrakten Vereinzelung, die von den indivi-

dualistischen Klassikern geübt wurde.

Leider ist Adam Müller über den großartigen Anlauf, den er

in seinem Jugendwerke „Elemente der Staatskunst“ genommen,

nicht mehr wesentlich hinausgekommen. Das unruhige Wander-

leben, das er bis zuletzt führte, mag daran nicht wenig schuld

sein. „Hätte sich Müller, der beim Erscheinen der ,Elemente'

30 Jahre alt war“, sagt Roscher, „nachher in normalster Weise

fortentwickelt; hätte er seine Kenntnisse gründlicher und prak-

tischer, seine Ideen klarer und konsequenter gemacht, so wäre er

1

Siehe unten S. 229 f.