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c.
Beurteilung
Adam Müllers Reichtums- und Fruchtbarkeitslehre, die zum
ersten Male die schöpferische Bedeutung des Geistigen in der Wirt-
schaft betonen, sind unwiderleglich richtig. Seine Geldlehre ist zwar
begrifflich nicht zur Klarheit gediehen, steht aber hoch über dem
oberflächlichen Metallismus Smiths, Ricardos und ihrer heutigen
Nachfolger.
Adam Müllers unsterbliches Verdienst liegt darin, daß er als
erster in der neueren Geschichte und mitten im Siegeszuge eines
individualistischen Zeitgeistes sich eine universalistische Gesamtauf-
fassung der Wirtschaft eroberte und sichere Lehrstücke, ewige
Wahrheiten, die aus der Tiefe eines genialen Schauens, eines feurigen
Instinktes kamen, den Irrtümern von Quesnay und Smith entgegen-
stellte. Im Reichtums-, im Produktivitäts-, im Geldbegriff hat er
zuerst die mechanistische, mengenmäßige, stoffliche Lehre jener Zeit
überwunden und eine Erklärung des Papiergeldes gefunden, die
allein ins Herz der Dinge trifft, und daher auch heute noch die
tiefstgedachte Geldtheorie ist, die wir trotz all der vielen neuen
Lehrbegriffe der Gegenwart haben
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. Vor Adam Müllers Ideenreich-
tum tritt die bloß dialektische Schärfe Marxens und auch die zer-
gliedernde Kraft Ricardos zurück. In jeder volkswirtschaftlichen
Rätselfrage ist es die Grundtatsache der G e g e n s e i t i g k e i t , die
ihn anlockt, die er zu erforschen versteht — statt der verfälschen-
den Isolierung, der abstrakten Vereinzelung, die von den indivi-
dualistischen Klassikern geübt wurde.
Leider ist Adam Müller über den großartigen Anlauf, den er
in seinem Jugendwerke „Elemente der Staatskunst“ genommen,
nicht mehr wesentlich hinausgekommen. Das unruhige Wander-
leben, das er bis zuletzt führte, mag daran nicht wenig schuld
sein. „Hätte sich Müller, der beim Erscheinen der ,Elemente'
30 Jahre alt war“, sagt Roscher, „nachher in normalster Weise
fortentwickelt; hätte er seine Kenntnisse gründlicher und prak-
tischer, seine Ideen klarer und konsequenter gemacht, so wäre er
1
Siehe unten S. 229 f.