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halten hat, die nur den wahren... Überschuß, aber keine wesent-
liche Lebenskraft fahren läßt“
1
. (Hier kehrt also der Selbstversor-
gungsbegriff der Merkantilisten wieder, zugleich ist aber Lists Lehre
von den „produktiven Kräften“ vorgebildet
2
).
Die S t e u e r erklärte Adam Müller nicht als bloßen Preis für öffent-
liche Leistungen, wie die Individualisten, sondern als die Zinsen für das
geistige Kapital, das der Staat (durch Recht und Verwaltung) der Wirt-
schaft beistellt und das ihre unentbehrliche Lebensbedingung ist. — Wie
in seiner Fruchtbarkeitslehre hat er auch hier als erster den Smithischen
Begriff des „ a b g e l e i t e t e n E i n k o m m e n s “ überwunden. Denn
in der Tat hat der Staat kein abgeleitetes Einkommen, er ist selbst ur-
sprünglichster Hervorbringer der Wirtschaft
3
.
Der G e s a m t a u f b a u d e r V o l k s w i r t s c h a f t ist nach Mül-
ler folgender: Der Erzeugung liegen vier Elemente zugrunde: Land, Ar-
beit, physisches Kapital, geistiges Kapital. Das Land repräsentiert das
Element der Dauer, die Arbeit die Beweglichkeit (Entwicklung), und das
Kapital, in dem die Vergangenheit ruht, vereinigt beide, indem es bald
beschleunigt, bald hemmt. Diese vier Elemente führen zu den vier Ele-
menten der Familie sowohl — Jugend (Vorwärtsstreben), Alter (Hem-
mung), Männlichkeit (Produktion), Weiblichkeit (Konservation) — wie
zu den vier Grundgeschäften des nationalen Staates, denen die vier
Stände dienen: Lehrstand, Wehrstand, Nährstand, Verkehrsstand, die
durch ihre Gegensätze die Harmonie des Ganzen erzeugen müssen. Dabei
entspricht die erzeugende Natur dem weiblichen Prinzip der Konser-
vation und führt zum Adel (Grundbesitz, Konservation); die Arbeit dem
männlichen und führt zum Bürgerstand, das physische Kapital führt
durch das im Kapital enthaltene Element der Jugend zum Verkehrs- oder
Kaufmannsstand, das geistige Kapital durch das im Kapital enthaltene
Element des Alters zum Lehrstand oder der Geistlichkeit. Mit der rich-
tigen Verhältnismäßigkeit dieser völkischen Arbeitsteilung ist die leben-
digste Wechselwirkung, die Verbindung zu einem organischen Ganzen
gegeben.
Im K r i e g e sah Adam Müller nicht bloß eine Erscheinung der Zer-
störung und des wirtschaftlichen Verbrauchs großen Stils, sondern er war
ihm gleichzeitig der Erzeuger mächtiger, belebender Kräfte im Staate.
Im Institut des A d e l s sah er ein wichtiges Mittel, die frühere Genera-
tion mit der späteren zu verbinden, da die Gesellschaft auch einen or-
ganischen Zusammenhang in der Zeit haben müsse, wie er denn über-
haupt das „ P r o b l e m d e r D a u e r “ zu den höchsten gesellschaft-
lichen Fragen rechnete.
Adam Müller kämpfte nur gegen Smith. Die Lehren R i c a r d o s u n d
M a l t h u s e n s scheinen auf seine Ansichten kaum Einfluß genommen
zu haben.
/
1
Adam Müller: Gesammelte Schriften, Bd 1, S. 353.
2
Siehe unten S. 149 ff.
3
Siehe oben S. 115 f. und 123 f.