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4 . N a c h r o m a n t i k e r

In Staat und Leben war der Liberalismus, in Philosophie und

Wissenschaft der Materialismus und das naturwissenschaftliche,

mechanisch-ursächliche Verfahren überall siegreich vorgedrungen.

Die Romantik war völlig aus dem Felde geschlagen, aber dennoch

nicht tot! Wie in der Kunst (Stifter

1

, Storm, Schwind), in der Ge-

schichte (Leopold von Ranke), so wurde auch in den Geisteswissen-

schaften romantisches Gut bewahrt und weitergebildet, wenn auch

unter dem Einflusse der Zeit geschwächt und auf kleinere Kreise

beschränkt.

Zum Teile gehört die g e s c h i c h t l i c h e R i c h t u n g der Volks-

wirtschaftslehre hierher, die wir aber in anderem Zusammenhange be-

handeln

2

.

Zwischen ihr und der Romantik stand der, allerdings auch liberal

beeinflußte, Theodor Bernhardi (f 1887). Sein Hauptwerk „Versuch einer

Kritik der Gründe, welche für großes und kleines Grundeigentum ange-

führt werden“ (Petersburg 1849)

3 4 5

ist, entgegen seinem Namen, lehrge-

schichtlicher Natur. Bernhardi wendet sich gegen die theoretischen Lehr-

begriffe Smiths, Ricardos und deren Individualismus. Diesem stellt er

(§ 5 und öfter) eine organische Auffassung gegenüber, die allerdings

nicht zu klarer Begriffsentwicklung gedieh (da der echte Universalismus

nicht in der „Aufopferung“ des Einzelnen, vielmehr gerade in der rech-

ten, nämlich g l i e d h a f t e n Ausbildung desselben besteht). Er weist

die Bevorzugung des Großbesitzes durch die klassische Lehre zurück. Da

sowohl Groß-, Mittel- wie Kleinbesitz ihre verhältnismäßigen Vorteile

haben, ist nach Bernhardi keine dieser Betriebsformen absolut zu bevor-

zugen, sondern ihre Erhaltung in entsprechender Verteilung anzustreben.

— Bernhardi, dessen Mutter eine Schwester Ludwig Tiecks war, stand der

Gedankenwelt der Romantik und des deutschen Idealismus nahe. Er war

zweifellos von / A d a m M ü l l e r (antiindividualistischer Standpunkt,

Grundsatz der Dauer), L i s t (Getreidezölle, allerdings nicht für Ge-

werbezölle, Gegner des wirtschaftlichen Kosmopolitismus) und der älte-

ren g e s c h i c h t l i c h e n S c h u l e (gerechtere Einkommensverteilung

durch wirtschaftliche Bindungen) abhängig, allerdings auch von den Li-

beralen Hermann und Rau beeinflußt

4

. — Als staatswissenschaftlicher

Schriftsteller trat Constantin Frantz hervor

5

, der den zentralistischen

1

Vgl. Ilse Roloff: Bau und Leben der Gesellschaft bei Adalbert Stifter,

in: Ständisches Leben, Jg 2, Berlin 1932.

2

Siehe unten 185 ff.

3

Theodor Bernhardi: Versuch einer Kritik der Gründe, welche für

großes und kleines Grundeigentum angeführt werden, Leipzig o. J. (Neu-

ausgabe von Karl Diehl).

4

Vgl. über Bernhardi auch unter „Deutsche Nutzwertschule“, unten

S. 199.

5

Constantin Frantz: Deutschland und der Föderalismus, 1889, 2. Aufl.,

Hellerau 1917; Schellings Positive Philosophie, 3 Bde, Cöthen 1879—80.