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heiten ausgehen müsse. Der Weg des Geistes geht vollkommener-
weise vom Gegliederten zum feiner Gegliederten, verfallsweise vom
Gegliederten zum Ungegliederten.
Der Weg des Geistes geht nirgends vom Ungegliederten zum Ge-
gliederten. Entstehen von unten hinauf und gar Entstehen aus dem
Chaos gibt es nicht, ist begriffswidrig, wesenswidrig.
Indem die Umgliederung notwendig an die Ausgliederung an-
knüpft, gelangen die neuen Setzungen (Neuausgliederungen) in
einen sinnvollen Zusammenhang mit den bisherigen Setzungen.
Diesem Zusammenhange liegt eine bestimmte Ordnung zugrunde,
die U m g l i e d e r u n g s o r d n u n g .
Der Begriff der Umgliederungsordnung sagt uns, daß die einzel-
nen Ausgliederungen der Ganzheit sich nicht nur nach dem syste-
matischen Zusammenhange bestimmen, sondern auch nach jenem
Zusammenhange, der sich in der zeitlichen Veränderung der Ganz-
heit ergibt, dem Umgliederungszusammenhange oder geschichtli-
chen Zusammenhange.
Die Frage ist nun, nach welchen Kategorien sich dieser geschicht-
liche oder Umgliederungszusammenhang bestimme. Die Haupt-
möglichkeiten, welche sich hier bieten und in der Geschichte des
menschlichen Denkens miteinander in Wettstreit treten, sind:
1.
der Kreislauf im Sinne einer Wiederkehr des Gleichen;
2.
die Entwicklung im Sinne eines Fortschrittes;
3.
die organischen Lebensstufen von Jugend, Reife und Alter, wie
sie sich an den lebendigen Organismen zeigen;
4.
der dialektische Fortschreitungsgang, wie er in der Philosophie
von Fichte, Schelling und Hegel entwickelt wurde; und endlich
5.
Gründung und Entfaltung.
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Wir haben diese Möglichkeiten in unserer „Geschichtsphilosophie“
untersucht und nachgewiesen, daß G r ü n d u n g u n d E n t f a l -
t u n g diejenige Form darstellt, welche die Umgliederungsordnung
alles Geistigen bestimmt, des einzelnen Menschen sowohl wie des
übereinzelnen Geistes, der Gesellschaft und ihrer Geschichte.
Daß ein „Kreislauf“ die Umgliederung des menschlichen Einzel-
geistes nicht bezeichne, bedarf keiner eigenen Erklärung. Aber auch
der Fortschrittsbegriff kann auf ihn nicht angewendet werden (da
der Mensch über sich selbst nicht hinaus kann). Am wenigsten kann
dieser Fortschritt die Form einer mechanisch bestimmten Entwick-