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lung annehmen, wie sie der Darwinismus fälschlich behauptet. Der
Mensch tritt mit bestimmten geistigen Anlagen in die Welt und
kann diese nur nach allen Seiten hin ausbilden, entfalten. Hierin
liegt schon, daß der G e i s t k e i n e L e b e n s s t u f e n
k e n n e . Denn der Geist altert nicht. Er vertieft und bildet sich
immer weiter aus. Das geistige „Alter“ ist im Gegensatze zum leib-
lichen Organismus durch immer größere Mächtigkeit und Tiefe
des Geistes bezeichnet. In der Bestimmung der Grundgestalt der
Umgliederung als Entfaltung auf dem Boden einer bestimmten
Gründung liegt auch, was sehr wichtig ist, das V e r h ä l t n i s z u r
D i a l e k t i k beschlossen. Nicht die Fortschreitung in Gegensätzen
ist das Kennzeichnende für den Gang der Entfaltung. Es zeigen sich
in ihr zwar Unterschiede (Differenzen), jedoch einander ergänzende
oder organische Unterschiede, nicht aber Verneinungen (ausschlie-
ßende Gegensätze), durch welche alle Dialektik hindurchgeht.
Die wesensgemäße oder vollkommene Entfaltung ist nicht durch
den dialektischen Gegensatz, sondern durch die Kategorie der
U n g e s c h l o s s e n h e i t
d e r E n t s p r e c h u n g gekenn-
zeichnet. Diese ist nämlich dadurch notwendig gegeben, daß der
Gliederbau einer Ganzheit nur im systematischen Sinne fertig und
geschlossen dasteht; im Sinne der zeitlichen Umgliederung aber /
stets unfertig, ungeschlossen sein muß, da bei ungestörter S t e t i g -
k e i t des gesamten Entfaltungsganges stets einige Ausgliederungen
in Rücknahme begriffen sind, also nach Neuausgliederungen verlan-
gen.
Da nun aber überall neben der Vollkommenheitsform auch Un-
vollkommenheitsformen vorhanden sind, so ergeben sich zwei
Reihen von Kategorien der Umgliederungen. Nach all dem Bishe-
rigen genügt es, sie hier getrennt aufzuzählen
1
.
Der V o l l k o m m e n h e i t n a c h gelten folgende Katego-
rien der Umgliederungsordnung: G r ü n d u n g u n d E n t f a l -
t u n g , welche wieder nach entsprechungsmäßiger Stetigkeit, und
zwar aus Ungeschlossenheit der Entsprechungen erfolgt. Ferner hat
Umgliederung der Vollkommenheit nach die Weise der Ebenbild-
lichkeit in der Zeit (also auch der Artbeständigkeit), woraus sich
1
Für die nähere Begründung siehe teils oben S. 133, teils die Geschichtsphilo-
sophie, Jena 1932, 2. Buch, §§ 6 ff.