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eindeutigen Massenwirkung komme. Das gilt nicht nur von der Wahrscheinlich-

keit im Sinne Boltzmanns, sondern auch Plancks. Würde man aber (was un-

berechtigt wäre) z. B. der Heisenbergischen Unbestimmtheitsbeziehung eine

weitere Bedeutung beilegen, dann dürfte man auch nicht mehr grundsätzlich

(nur noch empirisch) von Wahrscheinlichkeit und Statistik reden. Planck selbst

sagt: „In dem Weltbilde der Quantenphysik herrscht der Determinismus ebenso

streng wie in dem der klassischen Physik, nur sind die benutzten Symbole andere,

und es wird mit anderen Rechnungsvorschriften [gemeint sind die Schrödinge-

rischen Operatoren oder Heisenbergischen Matrizen oder die Diracischen q-Zah-

len] operiert

1

”.

/

Die Physik des 20. Jahrhunderts beruht also grundsätzlich auf der gleichen

Annahme eindeutiger Ursächlichkeit wie die Physik des 19. Jahrhunderts. Das

liegt ja auch schon in ihrem mathematischen Erkenntnisideal. Solange die Physik

mathematisch und nur mathematisch ist, bleibt sie auch ursächlich-mechanisch.

Solange sie mathematisch ist, huldigt sie auch dem Erkenntnisideale der soge-

nannten „Laplacischen Weltformel”, wonach alle Weltgeschehnisse berechenbar

wären, ähnlich wie Mondesfinsternisse.

Ist nun auch im Verfahren die gegenwärtige Physik dieselbe geblieben wie

die klassische Physik seit Galilei und Newton, so hindert das nicht, daß sie sich

i n h a l t l i c h , so im Relativitätsgrundsatze, im Quantengrundsatze, in der

Atomvorstellung, im Begriffe des Raumzeitlichen und der n-Dimensionalität,

in der Lehre von den Strahlungen, von der alten Physik unterscheide. In dieser

Hinsicht kann man allgemein die neuere Physik dadurch kennzeichnen, daß sie

(hauptsächlich infolge des Relativitäts- und Quantengrundsatzes):

1.

die Gesetze der Bewegung großer Massen und kleiner Geschwindigkeiten

auf die kleinsten Teilchen und größten Geschwindigkeiten nicht ohne weiteres

überträgt, so daß umgekehrt die Gesetze der „klassischen Mechanik” für große

Massen und kleine Geschwindigkeiten als Grenzfall der Gesetze für kleine Massen

und große Geschwindigkeiten gelten;

2.

daß sie Wahrscheinlichkeiten und statistische Gesetze in der Mikrophysik

an die Stelle von Einzelgesetzen treten läßt (was allerdings schon zur Zeit der

„klassischen Physik” durch die kinetische Gastheorie Boltzmanns ebenfalls ge-

schah und, wie gezeigt, auf das letzte Erkenntnisideal der Physik, die Laplacische

Weltformel, keinen Einfluß hat);

3.

endlich dadurch, daß sie größere Zusammenhänge in Betracht zieht als

die klassische Physik und auch den Einflußbereich der kleinsten Teilchen auf

eine weitere Umgebung erstreckt als früher.

Gegen die falsche Meinung, die h e u t i g e P h y s i k h a b e e t w a s

„ O r g a n i s c h e s”, wurde richtig erwidert, sie sei durch nichts anderes ge-

kennzeichnet als dadurch, daß sie der Vorstellung, man könne von den Bewe-

gungen der groben, langsamen Körper auf die feinen, schnellen schließen, ent-

gegentrete. Freilich ist damit weder die mechanistische Physik zu Ende, noch

weniger ist sie darum auch schon „ganzheitlich”. Denn die Verschmelzung von

Raum und Zeit zu einem einheitlichen Begriffe; die Zurückführung des Massen-

begriffes auf den Energiebegriff; die Schranke, die der Messungsgenauigkeit

durch die Heisenbergische Unsicherheitsbeziehung gesetzt ist (wonach das Pro-

dukt der Unsicherheit der Lage und des Impulses mindestens von der Größen-

ordnung des Planckischen Wirkungsquantums ist, also sozusagen eine Art von

Gegenseitigkeit besteht); und sogar die Auf-/lösung des materiellen Punktes in

i

1

Max Planck: Wege zur physikalischen Erkenntnis, Reden und Vorträge,

Leipzig 1933, S. 247.