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stillsteht, hat mit dem mechanischen Gleichgewichte nichts mehr

zu tun.

Daß der Chemismus eine arteigene Naturtatsache ist, die sich

von Korpuskeln und ihren Lagerungen nicht ableiten läßt, also

summativ, mechanistisch nicht erklärbar ist, beweisen ferner die

rein physikalischen Einwirkungen auf die chemischen Vorgänge.

Hierfür einige Beispiele

1

. Die Erhöhung der T e m p e r a t u r steigert nicht

immer die Reaktionsgeschwindigkeit, sie kann sogar hemmend wirken. Ebenso

sind viele Stoffe bei höheren Temperaturen in Wasser leichter löslich, manche

aber völlig unlöslich („negative Lösungswärme”, z. B. des Magnesiumsulfates bei

200—3000). Und wie soll der überaus labile Zustand mancher Explosivstoffe

mechanisch erklärt werden, wo geringfügigste Temperaturerhöhungen oder Er-

schütterungen einen ungeheuer lebhaften chemischen Vorgang auslösen? Eine

solche „Labilität” ist ohne jede mechanische Analogie. — Ähnlich kann auch der

D r u c k sowohl beschleunigend wie hemmend auf chemische Vorgänge wirken.

Auch das kann mechanisch nicht verständlich gemacht werden.

/

Diese und tausend andere U n s t e t i g k e i t e n sind mit atomistischen und

überhaupt mit mechanistischen Vorstellungen nicht vereinbar.

Noch tiefere Hinweise auf die durchaus a r t e i g e n e Natur des Chemischen

geben uns unseres Erachtens so grundsätzliche Verschiedenheiten, wie sie zwischen

dem Kohlenstoffe als Diamant, als Graphit und als amorpher Kohle bestehen,

die atomistisch-mechanistisch nicht erklärbar sind. Sie werden teils mit nichts-

sagenden Worten wie „ a l l o t r o p e M o d i f i k a t i o n e n ” überdeckt, teils

mit angeblichen Verschiedenheiten „energetischer Strukturen der Elementar-

atome” erklärt, nur um die atomistisch-mechanistische Unterstellung halten zu

können. Noch verwirrender ist dieser Sachverhalt seit der Entdeckung un-

zähliger „Isotopen” geworden.

Katalytische Stoffe, Fermente, Enzyme, Hormone, die in kleinsten Mengen

und ohne verbraucht zu werden ungeheure Wirkungen ausüben, spotten jeder

summativen Erklärung.

Das Wesen der chemischen Vorgänge ist in Wahrheit nur zu

begreifen, wenn man in ihnen das Schöpferische der Natur, ein

neues Werden sieht, darum auch neue Gestaltungen, neue Raum-

inhalte, neue Eigenschaften. Man kann bei ihnen das Über-

räumliche, Überstoffliche sozusagen am Werke sehen. Die ato-

mistisch-mechanistische Chemie muß dagegen das Schöpferische

der Natur überall hinwegleugnen.

Ein Gebiet, wo dies noch offenkundiger wird als sonst, ist die

organische Chemie. Es ist bekannt, daß die meisten der Ver-

bindungen, die im lebendigen Organismus erzeugt werden, von

selbst unter keinen äußeren Bedingungen entstehen können.

Warum? Weil das Leben des Organismus in der anorganischen

Natur fehlt und daher jene E r w e c k u n g der vorstofflichen

1

Wir folgen hier den vorzüglichen kritischen Darlegungen von Friedrich

Kottje: Erkenntnis und Wirklichkeit, Leipzig 1926, S. 154ff., 163ff. und öfter.