Z w e i t e r A b s c h n i t t
Die ersten Grundbegriffe
der Naturphilosophie: Zeit, Stoff, Raum
Der Ausgangspunkt der Naturphilosophie sind nicht einzelne
Naturerscheinungen, sondern das Ganze der Natur. Dieses ist
durch Zeit, Raum, Stoff sichtlich gekennzeichnet, denn Zeitlich-
keit, Räumlichkeit und Stofflichkeit sind allen Naturerschei-
nungen eigen. Daher wird die Klärung dieser Begriffe der natur-
philosophischen Untersuchung am besten vorangestellt, was sich
auch aus dem Gange unserer späteren Untersuchungen rechtfer-
tigen wird.
Des leichteren Verständnisses halber schicken wir unser grund-
sätzliches Ergebnis voraus. Wir werden nachweisen, daß die
allgemeinen Daseinsformen der Natur, Zeit, Raum, Stoff, sich
nicht in dem, als was sie äußerlich erscheinen, erschöpfen, son-
dern daß sie sämtlich auf einen tieferen Wesensgrund zurück-
gehen. Es werden sich uns die Sätze ergeben:
Z e i t i s t n u r d u r c h Z e i t l o s e s ;
S t o f f i s t n u r d u r c h S t o f f l o s e s ;
R a u m i s t n u r d u r c h R a u m l o s e s .
Da die Zeit der Natur und dem Geiste gemeinsam, die stoff-
liche Natur aber allein durch ihre Räumlichkeit gekennzeichnet
ist, so läßt sich auch kurz sagen: Natur ist jene immaterielle
Wesenheit, die sich verräumlicht, Geist ist jene immaterielle
Wesenheit, die denkt. Beide tun dies in der Zeit.
Hiermit haben wir schon die ersten Grundsätze ausgesprochen,
welche unsere Naturphilosophie bestimmen. In ihrer Allgemein-
heit haben wir diese Grundsätze schon andernorts ausführlich
entwickelt und begründet
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. In diesem Buche kann daher die
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Der Schöpfungsgang des Geistes (= Ergänzungsbände zur Sammlung Herd-
flamme, Bd 3), Jena 1928, S. 177ff., 355ff., 375ff. und 402ff.