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I.

Das Rangverhältnis von Zeit und Raum:

Zeit ist vor Raum

Aus der Tatsache, daß die Zeit dem Geiste und der Natur

gemeinsam ist und das zeitliche Geschehen es ist, mittelst dessen

sich die Eigenschaften verräumlichen, folgt von selbst der für

die gesamte Naturphilosophie grundlegende Satz: Z e i t i s t

v o r R a u m .

Daß Zeit vor Raum sei, zeigte sich schon bei der Zergliederung

des Kristallisationsvorganges und des Weges der Verräumlichung

überhaupt, wo sich ergab, daß die Zeitgestalt oder innere

Rhythmik einer Wesenheit die Grundlage für ihre Verräum-

lichung oder Raumgestalt sei. Ist nun die Zeitgestalt die Grund-

lage der Raumgestalt, so ist Zeitgestalt vor Raumgestalt und

daher allgemein Zeit vor Raum.

A. P h y s i k a l i s c h e D e u t u n g : d i e Z e i t e i n

„ F a k t o r “ d e r R ä u m l i c h k e i t

Daß, philosophisch genommen, dieser Vorrangsatz allgemein

gilt, darüber kann kein Zweifel bestehen. Hier ist aber nach

seinen naturphilosophischen Auswirkungen, vor allem seinen

Auswirkungen im physikalischen Denken zu fragen. Zunächst

drängt sich die Frage auf, wie sich der Vorrang der Zeit vor dem

Raume damit vertrage, daß die Relativitätsphysik die Zeit als

„vierte Dimension“ des Raumes behandelt?

Der Raum erwies sich als Ergebnis einer Verräumlichung.

Die Verräumlichung ist die Tat einer Wesenheit und geschieht

in zeitlicher Abfolge. In diesem Sinne kann man sagen: die /

Zeit ist ein „Faktor“ der räumlichen Wirklichkeit. Zwar ist der

Raum nicht geradezu verräumlichte Zeit, sondern Verräum-

lichung von Eigenschaften einer Wesenheit mittels der zeitlichen

Abfolge des Geschehens; aber die Verzeitlichung der Wesenheit

geht doch in die Verräumlichung ein.

Diese Verhältnisbestimmung von Zeit und Raum macht es

verständlich, wieso die Relativitätsphysik überhaupt an die Mög-

lichkeit denken könne, die Zeit als „vierte Dimension“ des

Raumes zu behandeln, wieso diese Möglichkeit vernünftiger-

weise überhaupt in Betracht komme. Wir verstehen: die Zeit

ist zwar nicht die „vierte Dimension“ des Raumes, aber doch

ein „Faktor“ desselben (in dem soeben bestimmten Sinne). Bis-