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so gedacht werden, daß er die V e r e i n z e l u n g u n d d a s
g l e i c h s a m S e l b s t i s c h e , K a l t e d e r T e i l e
ü b e r w i n d e t , d i e T e i l e a l s o z u r S e 1 b s t -
h i n g a b e a n r e g t .
In dieser Begriffserklärung der Wärme liegt nichts Phan-
tastisches. Sie ist im Gegenteil unausweichlich. Um sie zu ver-
stehen, muß man sich allerdings von einem befreien: von der
Meinung, stoffliche Eigenschaften könnten nur von Bewegungen
der Teilchen herkommen, in der Wärme angeblich von der
Bewegung der Moleküle. Wer die N a t u r v e r s t e h e n
w i l l , m u ß s i e i n i h r e n s c h ö p f e r i s c h e n
T ä t i g k e i t e n , u n d z w a r v o m G a n z e n h e r ,
a u f f a s s e n . Die Natur ist Tat, Tat, die aus ihr selbst kommt. Die
Natur setzt sich selbst, ähnlich wie der Geist — aber sie setzt sich
nicht sich selbst entgegen, das heißt, sie denkt nicht, sie ver-
gegenständlicht nicht sich selbst wie der Geist im Selbstbewußt-
sein, sondern vereigenschaftet und gestaltet sich.
Am einfachsten beginnen wir unsere Erklärung der Wärme
(die übrigens im naturphilosophischen Schrifttum
1
immer wieder
auf ähnliche Weise, aber ohne die Begriffsmittel der Ganz-
heitslehre und des Verräumlichungsbegriffes erklärt wurde)
mit dem Verhältnis der Wärme zum Raume. Jeder Stoff ist
räumlich ausgedehnt. Seine Teile sind daher nebeneinander,
außereinander. Das räumliche Außereinander wäre aber völlige
Vereinzelung, Getrenntheit, wenn es bei dem Außer- und Neben-
einander schlechthin verbliebe. Es wäre eine kalte, finstere
Vereinzelung. Diese Vereinzelung, Getrenntheit und gleichsam
Kälte der Teile ist daher wieder rückgängig zu machen: Das räum-
liche Außereinander muß durch einen inneren Einheitsbezug über-
wunden werden. Dieser Einheitsbezug ist die Wärme, das Gegen-
teil der Kälte. Darum / müssen wir behaupten: ü b e r a l l , w o
M a t e r i e i s t , m u ß a u c h W ä r m e s e i n , wogegen alle
Kälte-Laboratorien nichts beweisen und ebensowenig der Begriff
des „absoluten Nullpunktes“.
Der Begriff des „Einheitsbezuges“ oder der Vereinheit-
lichungstat — die wir uns hier von den Teilen zum Zentrum
vorzustellen haben — darf uns nicht überraschen. Denn eine
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Schon soferne der Vergleich mit der Liebe darauf hinführt. Vgl. z. B.
Schelling und Novalis (siehe oben S. 35).
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