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hängen zu denken, Zusammenhänge ins Auge zu fassen, nicht
Eigenschaften an sich.
Das L i c h t wird von der Pflanze zur Bildung des Blatt-
grüns benützt, und zwar ist es das Licht eines bestimmten körper-
lichen Wesens, der Sonne (also dinghaftes, nicht abstraktes Licht).
Ohne Pflanze aber keine Nahrung für Tier und Mensch. Mit
Hilfe des Lichtes nimmt die Pflanze chemische Reduktionen vor,
indem sie aus der Kohlensäure der Luft Kohlenstoff gewinnt
und diesen zu Kohlehydraten aufbaut, wie die Chemie nach
heutigem Stande der Wissenschaft sagt. Für die exakten Natur-
wissenschaften sind das nur chemisch-physikalische Vorgänge
schlechthin, keine bestimmten dinghaften Vorgänge. Warum?
Weil sie nur Eigenschaftsänderungen als solche, in abstracto,
ins Auge faßt, ohne die Dinge zu betrachten, a n denen diese
Änderungen vor sich gehen! Sobald man aber die Dinge ins
Auge faßt, erkennt man einen neuen Tatbestand: die Lebens-
bezogenheit des Lichtes. Über die Wirkungsweisen des Lichtes
als Eigenschaft an sich hinaus ergibt sich ein Zusammenhang
von dinglichen Tatbeständen, der für sich selbst einen Sinn und
Gehalt hat: das L i c h t l e b t m i t P f l a n z e , / T i e r
u n d M e n s c h , also an und mit Dingen. Das g e h ö r t z u r
N a t u r d e s L i c h t e s e b e n s o w i e B r e c h u n g ,
B e u g u n g u n d Z u r ü c k w e r f u n g .
Auch der seelisch-geistige Gehalt der F a r b e n , das Lebens-
volle des Rot, das Andächtige und Mystische des Blau, gehört
dazu. Zur Lebensbezogenheit gesellt sich also die G e i s t b e -
z o g e n h e i t des Lichtes. Diesen Teil der Farbenlehre hat
Goethe meisterhaft und unwidersprechlich ausgearbeitet. Es ist
nicht erlaubt, ihn darum, weil er andere, mathematische Be-
stimmungen unterließ, ihn in der Naturwissenschaft zu über-
gehen. Der Übergang von „Lichtenergie“ in Leben ist überdies
in Wahrheit nicht rechenbar. Goethes „subjektive“ Farbenlehre
kündet uns vielmehr von den hohen Eigenschaften der Natur,
die nicht etwa bloß in unserer Einbildung bestehen, sondern zum
Wesensbestande der Natur gehören.
Licht ist nicht nur S i n n b i l d des Geistes (wie man bildlich
vom „Licht der Vernunft“ spricht), es hat in den Farben auch