190
[213/214]
Wäre in der Natur eine ähnlich sinnvolle Gliederung von
Leistungen vorhanden wie in den geistigen Gebilden, dann wäre
einer ausgebildeten Vorranglehre gegenüber ihre ursächliche und
mathematische Erforschung ebenso nebensächlich wie auf gei-
stigem Gebiete. Soweit Gliederungen und Vorränge nicht er-
kennbar sind, tritt die ursächlich-mechanische und mathematische
Unterstellung als Ersatz- und Hilfsverfahren ein.
VIII. Die Folgerungen aus der erlangten Erkenntnis des
ganzheitlichen Wesens der Natur
Wir sind nun auf dem Punkte angelangt, wo wir das Ganze
überschauen können, da wir die einzelnen ganzheitlichen Züge
der Natur geprüft und nun auch im Gesamten miteinander ver-
glichen haben. Es gilt, jetzt daraus die Folgerungen nach allen
Seiten hin zu ziehen. Die wichtigste Frage ist, in welchem Sinne
die Natur eine Ganzheit sei? Wir wenden uns ihr, von der aus
alle anderen entschieden werden, sogleich zu.
A.
Die N a t u r i s t e i n e v e r m i t t e l t e G a n z h e i t .
S i e k e n n t A u s g l i e d e r u n g , a b e r n u r i n v e r -
m i t t e l t e m S i n n e
In allen Begriffszusammenhängen, die wir bis jetzt unter-
suchten, zeigte sich als das Entscheidende, daß die ganzheitlichen
Kategorien für die Natur zwar gelten, aber nur in einem über- /
tragenen Sinne gelten. Dafür ist die Ebenbildlichkeit fremder
Ordnung vielleicht das deutlichste Beispiel. Wegen des Über-
ganges des Vorräumlichen in eine andere Ordnung, die räum-
liche, ist die Natur nicht mehr in demselben unmittelbaren, un-
gebrochenen Sinne eine Ganzheit wie der Geist. Wiederholt
haben wir uns diesen Sachverhalt klargemacht. Alles, was der
Geist ausgliedert, ist Geist, was die Wirtschaft ausgliedert, Wirt-
schaft, aber was das Vorräumliche der Natur ausgliedert, ist
nicht mehr vorräumlich, sondern räumlich. Wir kommen zu dem
Ergebnisse: Die Natur ist nur eine vermittelte Ganzheit, und
zwar eine räumlich vermittelte. Die Vermitteltheit, der Über-
gang in ein „Anderssein“ (um mit Hegel zu sprechen), nämlich
das räumliche Anderssein im Vergleiche zu dem vorräumlichen,
ideenhaften Sein als Setzendem, das ist es, was die Natur als
Ganzheit kennzeichnet.