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„bloße Äußerungen (Anzeiger)
1
“ der entscheidenden Naturordnungen
und Zusammenhänge. Größen- und mengenhafte Betrachtung ist
unserem Philosophen vereinfachende Modellbetrachtung, die nie zu
Wesensaussagen führen, die nie das eigentlich S c h ö p f e r i s c h e
der Natur erreichen kann.
Der mechanistisch-atomistischen Auffassung der Naturphilosophie
des 19. Jahrhunderts, dieser Schau von unten, stellt Spann seine ganz-
heitliche Schau von oben gegenüber.
Seine manchmal leidenschaftliche Kritik der neuzeitlichen Natur-
wissenschaft wird deren Intentionen und Leistungen nicht immer ge-
recht. Die Physik und die Naturphilosophie unserer Zeit ist ganz-
heitlicher Betrachtung gegenüber viel aufgeschlossener, als dies Spann
1937 der Fall zu sein schien. Schon um 1935 stellte Aloys Wenzl in
seinem grundlegenden Werk „Wissenschaft und Weltanschauung“, das
den bezeichnenden Untertitel „Natur und Geist als Probleme der Me-
taphysik“ führte, fest, daß „Ganzheit zwar ein ontologischer Begriff
ist, der voll von Problematik steckt, aber nicht so sehr Voraussetzung
als E r g e b n i s wissenschaftlicher Erfahrung ist
2
“. In seinen weiteren
Untersuchungen über Ganzheit bemerkt Wenzl, daß „die Plancksche
Konstante h geradezu als Ganzheitskonstante aufgefaßt werden kann
3
“,
und verweist auch auf die ganzheitlichen Züge der relativitätstheore-
tischen Behandlung der Makrowelt.
Als grundlegende Aufgabe der Naturphilosophie unserer Zeit er-
kennt Spann das Erfassen des E i g e n s e i n s der Natur und ihrer
Ordnungen durch ein ihr entsprechendes Kategoriensystem, und er
meisterte diese Aufgabe in seiner Metaphysik der Natur, einer Natur-
philosophie aus dem Geist „eines echten Idealismus, der von Platon
bis Schelling die Menschheit auf eine höhere Stufe hob, aber heute nur
noch wie eine Sage klingt
4
“.
Von der großen Naturphilosophie des deutschen Idealismus aber
trennt Spann die grundlegende Erkenntnis des Eigenseins der Natur,
die Einsicht, daß Natur n i c h t Geist ist. Er weiß um die strenge,
unüberschreitbare Grenze zwischen Natur und Geist, weiß, daß die
Überschreitung dieser Grenze nicht zur „Vergeistigung der Natur“,
sondern zur „Naturalisierung des Geistes“ führt
5
. Deshalb lehnt er
die antike Emanations- und Vermittlungslehre, nach der der Geist die
Materie setzt, ebenso ab wie die schellingsch-hegelsche Gleichsetzung
des Geistes mit der Materie.
Spanns Naturphilosophie ruht auf der grundlegenden Überzeugung,
daß Geist nur Geistiges, Stoff nur Stoffliches ausgliedern kann und
daß daher Geist und Natur (als stoffliche Welt) nicht als genetische
Stufenfolgen aufgefaßt werden dürfen, sondern daß sie g l e i c h -
1
Naturphilosophie, S. 15.
2
Aloys Wenzl: Wissenschaft und Weltanschauung, 2. Aufl., Leipzig 1949, S. 47.
3
Wenzl: Wissenschaft und Weltanschauung, S. 171.
4
Naturphilosophie, S. 9.
5
Naturphilosophie, S. 4.
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