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„Gott ist ein Licht; und wenn sich das göttliche Licht gießt in die Seele, so
wird die Seele mit Gott vereint, als ein Licht mit dem Lichte“
1
. „Soll Gott
gesehen werden, das muß geschehen in einem Lichte, das Gott selber ist“
2
.
„Es ist zu wissen, daß das Eines ist nach den Dingen: Gott erkennen und
von Gott erkannt zu sein . .. Wir erkennen (insoferne), daß wir erkannt sind
und daß er uns sich machet erkennend“
3
.
Irdische Kategorien sind auf Gott nicht eigentlich anwendbar:
„Göttliches Leben ist weder Bild noch Form. Wenn die Seele ge-
schieden ist von allen Bildern und Formen, so ist sie gleich der
formlosen Natur Gottes. Das ist der heimliche Eingang der Seele in
göttliche Natur“
4
.
„Von dem Anblick (der Gottheit) entsinket der Geist ihm selber und aller
seiner Selbstheit und der Wirksamkeit (wirchicheit) seiner Kräfte. Dies geschieht
von dem Einschlage (înslac, das heißt Verzückung) der Bloßheit des einfaltigen
Lichtes der Einheit, auf dem (dem Lichte) der Geist mehr steht als auf seiner
Selbstheit, da der Geist auf nichts als Einheit steht. Darum heißt man die Ein-
heit Nichts, denn der Geist kann keine Weise finden, was sie sei; vielmehr: daß
der Geist nicht empfindet, daß er enthalten wird von einem anderen, als er
selber ist. Darum ist das, was ihn (in sich) enthält eigentlicher etwas (iht) denn
nichts ... Es ist aber eigentlicher an ihm sein selbes Eigentum, denn er verleug-
net sein Selbes nicht. Weil der Geist eigentlicher hier (in der ihn befassenden
Gottheit) wohnhaft ist, so verliert er alle Mittel (braucht er keine Vermittlung)
und vergeht doch nicht; er g e w i n n e t E i g e n s c h a f t e n d e r G o t t -
h e i t u n d w i r d d o c h v o n N a t u r G o t t n i c h t vielmehr es ge-
schieht von Gnaden.“
„Ich erschrecke jedesmal, wenn ich von Gott reden soll, wie abgeschieden die
Seele sein muß, wenn sie zur Einigung gelangen will. Und doch darf es nieman-
dem unmöglich dünken!“
5
Das über allen Eigenschaften Seiende, nicht zu Beschreibende,
in diesem Sinn auch „Nichts“ zu nennende, können wir nur
„weiselos“ (kategorienlos) erfassen, unmittelbar, es ist gerade das
Ur e t w a s , U r r e a l e .
Die mystische Erfahrung muß jeder selber machen. Auch das
Vorbild Christi ersetzt die eigene Erfahrung nicht, wie Meister
Eckehart lehrt: „Des mögen wir uns wohl freuen, daß Christus,
unser Bruder, gefahren ist durch seine eigene Kraft über alle Chöre
der Engel und sitzet zur rechten Hand des Vaters ... aber / wahr-
lich, ich gebe nicht viel darum. Was hülfe es mir, hätte ich einen
1
Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, Leipzig 1857, S. 171, Zeile 36.
2
Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S.80, Zeile 23.
3
Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S.38, Zeile 12 ff.
4
Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S.505, Zeile 28.
5
Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, S.230, Zeile 26.