Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7005 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7005 / 9133 Next Page
Page Background

[68/69]

83

In ähnlicher Weise äußert sich der große D s c h e l a l e d d i n

R u m i

1

:

„Unglauben ist die Nacht, die Nachtlamp’ ist der Glauben;

O laß in deiner Nacht dir nicht die Lampe rauben!

Wir hoffen auf das Licht, von dem die Lampe zeuget;

Das Licht, das sie gezeugt, will ihr den Dienst erlauben.

Doch wenn die Sonn’ erwacht, erlöschen Nacht und Lampe,

Und auf in einem Schaun geht Glauben und Unglauben.“

/

Zusatz über die Lichterfahrung der Mystiker

In den Bekenntnissen der Mystiker stießen wir wiederholt auf

die Lichterfahrung, welche sie in ihren ekstatischen Zuständen

machen, oder auf Lichtsymbole, welche dieser Lichterfahrung ent-

stammen. Da diese für die Symbolik und Ausgestaltung der Religion

überhaupt wichtig ist, fügen wir hier noch einige Beispiele hinzu.

D i o n y s i u s d e r A r e o p a g i t e sucht darzulegen, wie ein glänzendes

geistiges Licht von Gott, dem Vater des Lichtes, hervorstrahle und sich über die

ganze Schöpfung verbreite. „Dieses Licht“, sagt er, „ist Eines und in allen Din-

gen durchaus ganz und gar dasselbe, und obgleich eine Verschiedenheit von Ge-

genständen da ist, bleibt doch das Licht Eins und ungeteilt in verschiedenen

Gegenständen, so daß man, ohne irgendeine Verwirrung befürchten zu müssen,

den Gegenständen Mannigfaltigkeit und dem Lichte Identität zuschreiben kann“

2

.

Die heilige T h e r e s i a schildert die Verzückung auf einer Stufe, welche sie

Gebet der Vereinigung nennt, in besonders deutlicher Weise: „Ist die Seele aber

wieder (von der Ekstase) zu sich gekommen, so meint sie in einem ganz anderen

Lande gewesen zu sein, als in dem wir leben. Das L i c h t , w e l c h e s s i c h

d o r t z e i g t , i s t v o n d e m i r d i s c h e n s o v e r s c h i e d e n , daß sie

sich davon unmöglich eine Vorstellung machen könnte, wenn sie auch ihr ganzes

Leben sich abmühen würde... Die ist keine Verstandesvision, sondern eine ein-

bildliche, die man mit den Augen der Seele schaut.. .“

3

.

M e c h t h i l d v o n M a g d e b u r g erzählt von sich: „Da kam ich min-

niglich a u ß e r m i r und lehnte mein Haupt an ihn (Christus). Da sah ich,

daß alle Finsternis ausgeschlossen war, und innen war er erfüllt mit dem ewigen

Lichte“

4

. Ferner: „Die Seele ist im Leibe menschengestaltet und hat göttlichen

Glanz in sich und glänzt durch den Leib wie das leuchtende Gold durch den

klaren Kristall“

5

.

1

Deutsch von Friedrich Rückert.

2

Angeführt bei Friedrich Max Müller: Theosophie, deutsch von Moritz Win-

ternitz, Leipzig 1895, S. 467.

3

Die heilige Theresia: Die Seelenburg, in: Sämtliche Werke, Bd 4, 1, Regens-

burg 1922, S. 194 f. — Sperrung von mir.

4

Mechthild von Magdeburg: Das fließende Licht der Gottheit, Bd 4, 3, Kemp-

ten 1911, S. 122 f.

5

Mechthild von Magdeburg: Das fließende Licht der Gottheit, Bd 7, 1, S. 206.