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stets fähig ist) verleiht. Beides hebt Wolfram hervor, da die Gralsritterschaft,

gleich Platons Weisen, auch im Staat herrscht.

Die Zweifel, Kämpfe und Krisen, welche Parzifal nach Unterlassung der Frage

durchzumachen hat, zeigen den inneren Weg des Mystikers an. Für den in der

Welt befangenen Menschen ist der Gral unauffindbar, und auch für Parzifal ist er

es später, so lange er mit Gott hadert und die innere Stetigkeit des Mystikers

noch nicht gewann. Erst das Karfreitagsgespräch — in einer Höhle! — mit dem

Einsiedler Trevizent (einem Meister, der ihn lehrt) beruhigt seinen Hader. Er

gelangt zur Wiedergeburt

1

: zu der letzten Erhebung des Bewußtseins, welche ihn

zu jener Selbsterkenntnis führt, die zugleich Gotteserkenntnis ist. Der Einsiedler

sagt ihm „niemand kann den Gral erjagen, der nicht im Himmel so bekannt ist,

daß er mit Namen berufen werde zum Grale“

2

. Dazu gehört mystische Gottes-

erkenntnis. In ihr sind auch Gottesliebe und Menschenliebe enthalten, welch

letztere ihn nun von selbst zu der erlösenden Frage bringt: „Oheim, was wirret

dich?"

Wichtig ist noch, um die scheinbar so sinnlose Parallelität der Vorgänge in der

Dichtung zu entwirren, Artus mit seiner Tafelrunde als den m a g i s c h e n

Kreis, den Gral mit seiner Ritterschaft dagegen als den m y s t i s c h e n zu ver-

stehen. Daher, was Parzifal auf der mystischen, das stellt im zweiten Teil Gawan

auf der magischen Ebene dar. Doch würde es uns zu weit in Einzelheiten führen,

dies zu verfolgen.

Liest man Wolframs Werk erst mit wachen Sinnen, dann bewundert man auf

Schritt und Tritt das mystisch-magische Wissen Wolframs, der gewiß ein hoher

Eingeweihter war. Unbewußt spürte man ja immer schon, daß mehr in dem

Werk steckt, als sich äußerlich zeigt. Und gerade dieses Gefühl einer verborgenen

Esoterik trug gewiß das meiste dazu bei, es trotz aller äußeren Mängel so hoch

zu schätzen, daß es geradezu als der Angelstern der mittelalterlichen Dichtkunst

erschien.

In seiner Zeit dürfte man Wolfram auch sehr wohl verstanden haben. Denn

es kann kein Zufall sein, meine ich, daß in späteren Dichtungen der Gral nach

Indien versetzt wurde, dem Land der klassischen Mystik. So lesen wir im zweiten

Abschnitt

3

des Gedichtes von L o h e n g r i n (um / 1280, Wolfram starb etwa

1220), daß in Indien eine neue Gralsburg erstehe, unvergleichbar schöner als

die alte in Europa

4

.

Wolframs Mystik scheint mir auch der „Willehalm“ insofern zu bestätigen,

als darin meines Erachtens R e n n e w a r t eine Entsprechung zu Parsifal dar-

stellt

5

.

1

So bemerkt auch Wilhelm Stapel in der Prosaübersetzung von Wolfram von

Eschenbachs Parzifal, Hamburg 1937, S. 265 (Anm.).

2

Neuhochdeutsch von Wilhelm Stapel: Parzifal, Hamburg 1937, S. 271.

3

S. 7147 ff.

4

Ähnlich andere alte Autoren, woüber Wilhelm Hertz: Parzifal, 4. Aufl.,

Stuttgart 1906, S. 453, zu vergleichen ist.

5

Wolfram von Eschenbach: Willehalm, übertragen von Reinhard Fink und

Friedrich Knorr, Jena 1941. Die Verfasser wenden im Nachworte mit Erfolg den

ganzheitlichen Begriff der Gemeinschaft zur Erklärung des Gedichtes an.

16*