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Menschen und die Welt vergottet, dadurch Gott in die Welt herab-
zieht, Gott und Welt vermengt.
Inwiefern und durch welche philosophischen und theologischen
Lehrmeinungen bereits diese Fehler begangen werden, kann aller-
dings nicht mehr der formellen Unvollkommenheitslehre ange-
hören, sondern nur in inhaltlichen Auseinandersetzungen entschie-
den werden. Solche Erörterungen gehören daher mehr ins Gebiet
der Metaphysik und der Theologie als in das der Religionsphi-
losophie.
Als eine formale Unvollkommenheit im Glaubensinhalt haben
wir endlich noch zu bezeichnen den ausschließlich r a t i o n a l e n
G l a u b e n und ebenso sein Gegenteil, den ausschließlich i r r a -
t i o n a l e n G l a u b e n . Eine reine Verstandesreligion ist des-
wegen unmöglich, weil die Rückverbundenheit ein überrationales
Element enthält, wie wir früher auseinandersetzten und auch jeder
tiefer empfundene Gottesbegriff lehrt; aber ebenso ist der aus-
schließlich irrationale Glaube unmöglich, weil ohne Begriff, ohne
jegliche Erkenntnis, ohne Licht des Verstandes der Glaube nicht
vollzogen werden kann.
Zu diesen allgemeinen Unvollkommenheitsformen kommen noch jene a r t -
e i g e n e n , auf die wir bei Betrachtung der Quellen der Religion stießen
1
.
F. E r g e b n i s
Die Erkenntnis des reinen Wesens der Religion, die sich uns
früher aus der wesensgemäßen Anwendung der Kategorien ergab,
nunmehr die Erkenntnis der der wesenswidrigen Anwendung fol-
genden Fehlausgliederungen, das ist der Unvollkommenheitsformen
und Entartungen, sie lassen uns einen tiefen Blick in die Religions-
geschichte tun. Die unübersehbare Mannigfaltigkeit der Formen
religiösen Lebens beginnt sich abermals zu vereinfachen und zu
ordnen, indem sich verhältnismäßig wenige / Grundformen der Un-
vollkommenheiten und Entartungen sichtbar machen.
1
Vgl. oben S. 193 ff. und 197 (aus der Gottesverwandtschaff); S. 198 ff. (aus
der Einheit von Seele und Welt); S. 94 ff. (aus der Unsterblichkeit); S. 41 (Schöp-
fung); S. 112 ff. (Erlösung); S. 165 ff. und 247 ff. (Magie); ferner S. 231 ff. (exo-
terische Bilder); S. 291 ff. (aus der individuellen und zeitbedingten Verarbeitung
der Offenbarung).