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F. Die L o g i k d e r G e g e n w a r t
D i e L o g i k d e r G e g e n w a r t datiert teils vom „Logikkal-
kül", teils vom Neukantianismus her (W i n d e l b a n d , R i k -
k e r t , N a t o r p und andere), welchem nach der Jahrhundert-
wende die Phänomenologie folgte. Die beiden letzteren lehnten den
„Psychologismus“ ab, das heißt, sie wandten sich mit Recht gegen
den Empirismus in der Logik. Leider aber gingen diese wie die Schu-
len M e i n o n g s („Gegenstandstheorie“) nicht weit und entschie-
den genug über den Empirismus hinaus, so- / daß das Bild dieses
umfangreichen, mit großem geistigen Aufwande geschaffenen logik-
wissenschaftlichen Schrifttums einer dürren Heide gleicht. Ein eige-
nes Begriffsgebäude der Logik wurde von keiner dieser Schulen ent-
wickelt.
Auf Einzelheiten gehen wir später bei Erörterung der verschie-
denen Fragen und Denkaufgaben der Logik ein.
Eine mächtige Entwicklung nahm dagegen die mathematische Lo-
gik, welche man als L o g i k k a l k ü l (mathematisch im engeren
Sinne) und L o g i s t i k zu bezeichnen pflegt. Die mathematische
Logik will, um es ohne Umschweife zu sagen, die W o r t e aus der
Logik verbannen, sie durch abstrakte Z e i c h e n ersetzen und so
dazu gelangen, nach Art der M a t h e m a t i k mit ihnen zu rech-
nen und wie mit Formeln zu arbeiten. Eine gewisse Möglichkeit
dazu, mit logischen Werten zu r e c h n e n , schien der U m f a n g
des Begriffes (der in der formalen Logik vom Inhalte unterschieden
wird) zu bieten. Die Namen: H a m i l t o n , d e M o r g a n ,
B o o l e , F r e g e , R u s s e l , A . S t ö h r , C a r n a p , bezeichnen
hauptsächlich die Entwicklung und den heutigen Stand dieser Schu-
len, nachdem zum Teil schon die Herbartianer (D r o b i s c h) vor-
angingen. Eine kritische Stellung nimmt G e r h a r d S t a m m l e r
ein
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. Mehr im Sinne der axiomatischen Begründung der Mathematik
wirkten S c h r o e d e r u n d H i l b e r t .
Zur Beurteilung scheint mir entscheidend, daß die mathematische
Logik aus dem e m p i r i s t i s c h e n Denken entstand, welches
namentlich das vorige Jahrhundert beherrschte, aber auch heute
noch mächtig ist. Im besonderen war und ist es der empiristische /
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Gerhard Stammler: Begriff, Urteil, Schluß, Halle 1928.