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Tiefer blickende Sensualisten und Empiristen, wie z. B. Richard

Avenarius, suchten aber doch nach weiteren Ordnungskräften des

Vorstellungsablaufes, um aus diesem zum Denken zu kommen.

Avenarius behauptete, daß das „Denkbar-meist-sich-Wiederho-

lende“ die Bildung der Vorstellung bestimme (z. B. „Tisch“ für viele

derartige Sinneseindrücke). Solche „Allgemeinvorstellungen“ lägen

dann dem Denken zugrunde. Dieser Einfall wurde für so umstür-

zend gehalten, daß Avenarius seine Lehre nicht mehr Empirismus,

sondern „Empiriokritizismus“ nannte. Ähnlich glaubte Ernst Mach

in der „Ökonomie“ des Denkens eine die bloßen Assoziationen

überbauende oder lenkende Auslesekraft gefunden zu haben. Auch der

sogenannte Pragmatismus von William James ist nichts anderes,

er sucht von der allgemeinen „Denkökonomie“ zu einer noch hand-

greiflicheren Auslese fortzuschreiten, zum bestimmten Erfolg der

gebildeten Gedanken in der Praxis, im Leben. — Es ist klar, daß

allen diesen und ähnlichen Lehren (wir könnten davon z. B. noch

die „Zuordnung von Zeichen“, die aber auf eine nichtssagende Zu-

rückführung auf Sinneseindrücke hinausläuft, erwähnen) die Begriffe

nur psy- / chische Naturgebilde sind, daher sie nur einen betont

relativistischen Wahrheitsbegriff kennen können.

Etwa nach der Jahrhundertwende entstanden andere Strömun-

gen. Ehrenfels’ und Meinongs Begriff der „Gestaltqualität“ waren

ein schüchterner Beginn einer anderen Denkweise

1

. Weiter stieß die

aus der Külpeschule entstandene „Denkpsychologie“ vor

2

. Sie läßt

zwar noch den assoziativ bestimmten Vorstellungsverlauf bestehen,

erklärt aber, daß er beim Denken durch das jeweilige „Denkziel“ (!)

überbaut, der Denkverlauf gelenkt werde. Diese teleologische Ord-

nung soll durch „komplexe intellektuelle Operationen“ entstehen.

— Von naturalistischem Relativismus sind, wie ersichtlich, diese und

ähnliche Lehren noch lange nicht frei, obzwar sie nicht mehr den

Stempel jener Primivität an sich tragen, wie die unverhüllt assozia-

tions-psychologischen Lehrbegriffe.

Höher als diese, übrigens noch heute nicht erloschenen Schulen

1

Eine umsichtige Darstellung der lehrgeschichtlichen Entwicklung, die von

hier ausging (unter anderen der Logiker Alois Höfler), bei Ferdinand Weinhandl:

Die Gestaltanalyse, Erfurt 1927.

2

Vgl. besonders Otto Selz: Über die Gesetze des geordneten Denkverlaufs,

2 Bde, Stuttgart 1913—1922.