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Es wird sich zeigen, daß der Empirismus dem allerdings einseiti-
gen, deduktiv-syllogistischen Verfahren der überkommenen aristo-
telischen Logik eine nur an der Oberfläche haftende logische Theorie
entgegenzusetzen vermochte — in Wahrheit einen logischen Nihilis-
mus. Sowohl in der Erkenntnislehre wie in der Logik führt der
Empirismus unentrinnbar über den Sensualismus zum Nihilismus.
D.
L e i b n i z (1646—1716) und K a n t (1724—1804)
L e i b n i z bestritt mit Recht Lockes Behauptung, daß die Be-
griffe nur aus den Sinneseindrücken entsprängen. Er unterschied
notwendige oder vernünftige, ewige Wahrheiten und tatsächliche
Wahrheiten (vérités de raison und verites des faits). Die notwen-
digen Wahrheiten, z. B. die mathematischen Sätze, sind dem Geiste
angeboren und unterstehen dem Satze des Widerspruches
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, die Tat-
sachenwahr- / heiten, das sind alle Sätze der Erfahrungswissenschaf-
ten, dagegen dem „Satze des zureichenden Grundes“, den Leibniz
zum ersten Male in die Logik einführte. Die Sinne können uns nur
partikuläre Daten liefern. Eine Sammlung vieler Einzelheiten ergibt
aber keine allgemeine Wahrheit. Diese letzteren entspringen aus den
uns angeborenen Ideen, welche der Mensch freilich nicht als ausge-
bildete Gedanken mit auf die Welt bringt. Die sinnliche Anregung
ist zu ihrer Entwicklung nötig. Der Verstand (der Inbegriff jener
ursprünglichen Ideen) ist sich selbst angeboren. Der sensualistische
Satz: „nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu“ (nichts ist
im Verstande, was nicht in den Sinnen war), ist einzuschränken
durch den Zusatz: „nisi intellectus ipse“ (außer dem Verstande
selbst). Der Verstand („intellectus ipse“) stammt nicht aus den Sin-
nen, sondern ist sich angeboren. Die Seele entwickelt alles aus sich
selbst, bedarf aber dazu der Anregung der Sinne. Der Verstand ist
daher die Quelle der allgemeinen, notwendigen Wahrheiten. —
Leibniz wies aufs gründlichste die Fehler der sensualistischen Logik
nach und fügte, wie erwähnt, der überkommenen Prinzipienlehre
den „Satz des zureichenden Grundes“ hinzu. Eine Bearbeitung des
Begriffsgebäudes der Logik im einzelnen lieferte Leibniz nicht.
1
Vgl. unten S. 53.