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lichste Werkzeug der Mathematisierung der Logik, weil es in inhalt-
lich zu verstehenden Denkzusammenhängen, und ganz allgemein in
ganzheitlichen Zusammenhängen überhaupt, u n m i t t e l b a r e
B e z i e h u n g e n g a r n i c h t g i b t . Die „Beziehung“ (Rela-
tion) ist ein atomistischer Begriff, welcher die Unabhängigkeit des
einzelnen Teiles (Atoms im alten Sinne) für sich selbst voraussetzt.
Gerade das gibt es aber in einer Ganzheit n i c h t , ebensowenig in
einer Gestalt oder in inhaltlich zu verstehenden Denkzusammen-
hängen. Hier hängt jeder Teil u n m i t t e l b a r n u r m i t d e m
G a n z e n , dem höheren Zentrum, zusammen und kann dem We-
sen der Sache nach u n m i t t e l b a r mit den anderen Teilen (Glie-
dern) gar nicht in Berührung treten (Grundsatz der „Unberühr-
barkeit der Glieder und Teilinhalte"
1
).
Verfehlt ist demnach die empiristische Grundeinstellung der ma-
thematischen Logik gegenüber dem Denken; verfehlt die Annahme,
daß Wissenschaft nur so weit reiche, als sie mathematische Gestalt
annehme; / verfehlt der Versuch, die „Beziehung“ zum Mittelpunkte
der Logik in mathematischer Behandlung zu machen und dadurch
die naturwissenschaftliche Begriffsbildung, namentlich der mathe-
matischen Physik, nachzuahmen.
Da alles Grundsätzliche in der mathematischen Logik verfehlt ist,
ist sie ein Versuch mit untauglichen Mitteln. Daher konnte auch
größter mathematischer Scharfsinn nicht verhindern, daß das Er-
gebnis eines ungeheuren Aufwandes nichts als ein Z e r r b i l d
echter Logik wurde — ein Werk philosophischer Nichtkenner!
Logik und Mathematik sind wesensverschiedene Wissenschaften.
Einzig dort, wo sich die in der Philosophie dilettierenden Mathema-
tiker auf ihrem eigenen Boden befanden, nämlich in der mathema-
tischen Verfahrenlehre, namentlich in der Axiomatik, kann ihren
Bestrebungen eine gewisse Bedeutung nicht abgesprochen werden. /
1
Vgl. mein Buch: Kategorienlehre, 1. Aufl., Jena 1924, S. 270 ff., 3. Aufl.,
Graz 1969, S. 258 ff.