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In der idealistischen Philosophie ist die Eingebung seit Platon und
Aristoteles bekannt, durch Fichte und Schelling erhielt sie in der
neueren Philosophie wieder eine Bedeutung. In der Logik war sie
eigentlich von jeher unentbehrlich, es gelang aber niemals, ihr eine
systematische Stellung darin zu verschaffen! Wenn z. B. B e n n o
E r d m a n n in seiner „Logik“ dem diskursiven, „logischen“ Den-
ken, das er als „formuliertes" bestimmt, ein „unformuliertes“,
„überlogisches“, welches das intuitive Denken sein soll, gegenüber-
stellt, so / läuft das darauf hinaus, die logischen Denktätigkeiten
völlig davon zu sondern. Die Frage, woher das „unformulierte“
Denken komme, was es sei und in welchem Verhältnisse es zum
„formulierten“ stehe, wird nicht einmal gestellt! Der Grund für
diese Zurückhaltung, sie besteht ähnlich bei den neukantischen und
phänomenologischen Schulen, liegt zuletzt am Mangel an Begriffs-
mitteln, der Eingebung im Rahmen des herkömmlichen kritischen
Naturalismus oder Neutralismus beizukommen
1
.
Es ist klar, nur Unmittelbares kann die Grundlage des Mittel-
baren, Diskursiven sein. Daher muß die Eingebung, wenn sie über-
haupt besteht, dem zerlegenden, vermittelbarenden Denken zu-
grunde liegen. Woher aber die Eingebung, wie kann man sie be-
grifflich erfassen?
Die Eingebung ist nur zu begreifen, wenn man einen transzen-
denten Geistesgrund annimmt!
Die ganzheitliche Lehre bietet hierzu die Möglichkeit durch den
Begriff der Rückverbundenheit. Rückverbundenheit ist Befaßtheit
eines Gliedes im Ganzen oder eines Ganzen in einem höheren Gan-
zen, schließlich im höchsten Urgrunde, in Gott und seiner intelligib-
len Welt, der Ideenwelt. Zum Beispiel ist die Eiche in der Eichen-
heit, diese in der Pflanzenheit, diese in der Lebewelt, diese schließ-
lich im Weltall, dieses in Gott befaßt, rückverbunden, und zwar in
der intelligiblen Welt, der Ideenwelt Gottes, den Gedanken Gottes. /
Nun kann sich die Eiche dieser ihrer Rückverbundenheit aller-
dings nicht bewußt werden — aber der Mensch kann es! Und das
geschieht in der Form der Eingebung.
1
Benno Erdmann: Logik, 3. Aufl., Halle 1923, S. 2 f., 64 und öfters.
Ähnlich andere Logiker (z. B. Josef Geyser: Auf dem Kampffelde der Logik,
Freiburg i. B. 1926, S. 6—12 und öfters), denen allen das Denken zuletzt doch
nur eine Verbindung von Wahrnehmungs- und Vorstellungselementen ist —
und damit ist alles verloren!