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22

Welche Vorsicht Eckehart walten ließ, zeigt auch ein bemerkens-

werter Vorbehalt in der Vorrede zu seinem lateinischen Haupt-

werke:

„Es ist aber zu beachten, daß einiges aus den folgenden Aufstellungen, Fragen

und Auslegungen beim ersten Anblicke ungeheuerlich (monstruosa), zweifelhaft

oder falsch erscheinen wird; anders aber verhält es sich, wenn man es mit

Scharfsinn und größerer Hingebung durchdenkt. Dann wird man finden, daß

die Wahrheit und das Gewicht der HI. Schrift oder eines Heiligen oder eines

berühmten Lehrers für das Gesagte helleuchtendes Zeugnis ablegt.“

1

C.

A n d e r e p e r s ö n l i c h e B e m e r k u n g e n .

G l e i c h n i s s e

Zu Klerikern gesprochen in einer lateinischen Predigt:

„Unser Leben muß derart sein, daß es ein Licht der Menschen ist.“

2

D e s g l e i c h e n i n e i n e r l a t e i n i s c h e n P r e d i g t :

„Nach Ansicht der Laien („secundum idiotas“) ist die Seele im Leibe, nach

Ansicht der Weisen („secundum sapientes“) ist richtiger der Leib in der Seele.“

3

I n e i n e r d e u t s c h e n P r e d i g t :

„Dô ich hiute har gienc, dô gedâhte ich, wie ich iu also vernunfteclîche

gebredieti, daz ir mich wol verstüendent, unde gedâhte ein glîchnis.“

4

„Ein frage was gestern in der schuole under grôzen pfaffen."

5

„Ich dâhte — ez ist etwie manic jâr —, ob ich gefrâget würde, wie ein

iegelich grasspinne der andern so unglîch wêre, und ez geschach, daz ich sin gefrâ-

get w a r t . . .“

6

.

1

Meister Eckhart: Lateinische Werke, Band I Allgemeine Vorrede zum

Dreiteiligen Werke, herausgegeben von Konrad Weiß, deutsch von Heinrich

Lammers, Stuttgart 1938, S. 152.

2

B 154.

3

B 61.

4

Pf. 192, 30: Als ich heute hierher ging, da sann ich darüber nach, wie ich

euch so verständlich predigen könnte, daß ihr mich gut verstündet, und er-

dachte ein Gleichnis.

5

Pf. 286, 21: Eine Frage war gestern in der Schule unter (den) großen Pfaffen

(aufgetaucht).

6

Pf. 287, 5: Es kam mir der Gedanke — es ist etliche Jahre her — ob ich

wohl einmal gefragt werden würde, wieso jeder Grashalm dem andern so un-

gleich sei, und es geschah (tatsächlich), daß ich danach gefragt wurde .. .

[Offenbar war damals dieses Beispiel bei den Nominalisten im Schwange;

Eckehart antwortete mit der Gegenfrage, warum sie so g l e i c h seien, um auf

die Ideenlehre hinzudeuten!]