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„Der niht denne die crêatûre bekante, der bedörfte niemer gedenken uf dekeine bredie.

Ein ieglîchiu crêatûre ist vol gotes und ist ein buoch.“

1

Die Kreatur kann aber auch der „Sparren im Auge“ sein, welcher

den Menschen hindert, Gott zu sehen:

. wirf

den Sparren ûzer dîme eigenen ouge unde wische denne den stoup

ûz eines anderen ougen

.“

2

Die folgenden Beispiele mögen unsere Betrachtung des Mensch-

lichen in Eckehart beschließen:

„Des nement ein glîchnüsse an dem hunde, der ein unvernünftic tier ist. Der

ist sînem herren also getriuwe, allez daz sînem herren wider ist, daz hazzet er,

und swer sînes herren vriunt ist, den hat er liep. Er ensihet niht an rîchtuom

noch armuot, jâ und wêre ein blinder dürftige, der sînem herren heinlich wêre,

den hêti er lieber denne einen künic oder einen keiser, der sinem herren wider

wêre. Ich spriche wêrlich, unde wêre daz mügelich, daz der hunt sînem herren

halber ungetriuwe wêre, er hazzete sich selber.“

3

In einer lateinischen Predigt sagt Eckehart, das äußere Leiden

habe keine Bedeutung für den, der Gott liebt, wodurch er die Welt

besiege.

Dazu merkt er sich vor:

„Erzähle (die Geschichte) aus Solin von dem Hunde, der es verächtlich

fand, mit einem Schweine oder Bären zu kämpfen, aber den Löwen be-

siegte.“

4

Wieder um die Würde des Leidens zu zeigen, führt er in einer

deutschen Predigt ein Beispiel aus dem Leben seiner Zeit an, das uns

zugleich zeigt, welch ein ritterlicher Sinn sein Herz beherrschte:

„Ich hân gesehen einen herren, der etwenne, sô er hâte einen ze hûsgesinde

enpfangen, daz er den sante ûz bî naht unt reit in denne selber an unt vaht mit

1

Pf. 271, 33: Wer weiter nichts als die Kreaturen erkennen würde, der

brauchte an keine Predigt zu denken, denn jegliche Kreatur ist Gottes voll und

ist ein Buch.

2

Pf. 241, 30: Wirf den Sparren aus deinem eigenen Auge und wisch (erst)

dann den Staub aus eines anderen Auge.

3

Pf. 69, 34: Erkennet ein Gleichnis (dafür) am Hunde, der (doch nur) ein

unvernünftiges Tier ist. Der ist seinem Herrn so getreu, daß er alles, was sei-

nem Herrn zuwider ist, haßt, und wer seines Herrn Freund ist, den hat er

lieb, und er achtet dabei weder auf Reichtum noch auf Armut. Ja, gäb’s einen

blinden Armen, der seinem Herrn zugetan wäre, den hätte er lieber als einen

König oder einen Kaiser, der seinem Herrn zuwider wäre. Ich sage wahrheits-

gemäß: Wäre es möglich, daß der Hund seinem Herrn untreu wäre, so müßte

er sich selber hassen.

4

B 107.