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Und indem nicht nur der Mensch, sondern die gesamte Natur
auf ihren letzten Grund hinstrebt, wird die Grundlage einer K o s -
m o l o g i e oder N a t u r p h i l o s o p h i e geschaffen.
4.
Das wesenhafte Streben des Menschen zu Gott, erreicht durch
die Erlangung des mystischen Zustandes, wird zur Grundlage
der S i t t e n l e h r e .
Die Urbegriffe als Grundlage philosophischer Sonderfächer mit
den darin gegebenen abgeleiteten Begriffen ergeben also:
die Lehre vom Fünklein, mit der Seelen- und Erkenntnislehre;
die Lehre von der mystischen Gotteserfahrung oder „Gottes-
geburt in der Seele“, mit der Gotteslehre, an welche sich die Seins-
lehre anschließt;
die Schöpfungs- und Naturlehre;
die Sittenlehre, als Lehre vom Wege zu Gott.
Diese Fächer kann man allerdings in jeder metaphysischen Philo-
sophie unterscheiden. Indessen, der begriffliche Zusammenhang, die
Ableitung aus einem formellen Anfangsbegriffe und daran sich
reihenden Urbegriffen, aus denen sich weitere abgeleitete Begriffe
ergeben, ist nicht derselbe. Das zeigt sich z. B. klar bei H e g e l . Sein
formeller Anfangsbegriff ist das leere Sein, dem sich die durch dia-
lektische Entgegensetzungen entstehenden Urkategorien (in der
„Logik“) anschließen. Und aus diesen Urkategorien erst ergeben sich
Naturphilosophie und Geistesphilosophie, welche im Begriffe des
Objektiven Geistes zur Gesellschafts- und Staatsphilosophie wird.
Mögen also auch mehr oder weniger die philosophischen Fächer,
die wir bei Eckehart unterscheiden können — er selber gab keine
ausdrückliche Einteilung — mit anderen Philosophien übereinstim-
men, die Begründung aus den systembestimmenden Begriffen ist
nicht dieselbe. Auf diese aber kommt es zuletzt allein an!
Die angeführten Lehrfächer, so dürfen wir zusammenfassend sa-
gen, stehen bei Eckehart nicht nebeneinander, sondern leiten sich
von jenen U r b e g r i f f e n als systembestimmenden Begriffen ab,
die sich Eckeharten aus der ersten Deutung der mystischen Erfah-
rung ergaben. Sie stehen sämtlich in einem wesensgemäßen Begriffs-
zusammenhange, aus dem heraus sie zu entwickeln sind.