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und der neoklassischen Lehren auf preistheoretisch-katallaktischer Grundlage

versuchen, erfolgt die Abkehr von den Lehren Alfred Marshalls und Arthur

Cecil Pigous durch John Maynard Keynes (1883—1946); Keynes vollzieht

diesen Bruch mit der bis dahin „orthodoxen“ Wirtschaftstheorie zunächst

zaghafter von geldtheoretischer Seite her

1

, später jedoch sehr entschieden auf

leistungsana- lytischer Ebene

2

.

Schon in seiner Geldlehre, wonach das Geld „Bindeglied zwischen

Gegenwart und Zukunft“ ist, zeichnet sich die Bedeutung alles Künftigen für

die Keynessche Theorie ab. Die Zukunftserwartungen, die das Handeln der

Wirtschafter bestimmen, sind nicht streng mathematisch berechenbar,

vielmehr unwägbare „Erwartungen“, „Vorausschätzungen“. Die klassische

Gleichgewichtstheorie, besonders die auf Say zurückgehende Lehre vom

Ausgleich von Angebot und Nachfrage, verkennt nach Keynes, daß dieser

Ausgleich entweder überhaupt nicht oder erst in langen Zeiträumen eintreten

könnte. (Es gebe danach auch ein Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung, z. B.

dann, wenn der Arbeitslohn seine Beweglichkeit nach unten verloren hat.)

Durch die neu gefaßte Gleichgewichtsannahme von Keynes wird der

Zusammenhang zwischen Einkommen (Nationalprodukt), Verbrauch und

Nettoinvestitionen von entscheidender Bedeutung: Es ist ein Gleichgewicht,

das von den drei genannten Größen bestimmt wird, nicht mehr durch den

einfachen Ausgleich der zwei Komponenten Angebot und Nachfrage. Die

Gleichgewichtsbeziehung ergibt sich somit aus Einkommen = Verbrauch +

Investition (Y = C + I) beziehungsweise: Einkommen = Verbrauch + Sparen (Y

= C + S). Aus der Umformung ergibt sich die Gleichgewichtsbedingung:

C + S = C + I oder S = I.

Der Verbrauch der Bevölkerung ist durch den Hang zum Verbrauch

(Hang zum Konsum oder Konsumneigung) bestimmt. Die Menschen sind in

der (Regel und im Durchschnitt geneigt, „ihren Verbrauch mit der Zunahme

des Einkommens zu vermehren, aber nicht im vollen Maße dieser Zunahme“

3

.

Das heißt: die Grenznei-

dC

gung zum Verbrauch wird stets kleiner als 1 sein: dY

<

1; das zu

1

John Maynard Keynes: A Treatise on Money, London und New York

1930; Neudruck 1950. Deutsch von Carl Krämer: Vom Gelde, München und

Leipzig 1932; Neudruck Berlin 1955, vgl. dazu oben S. 233 ff.

2

John Maynard Keynes: The General Theory of Employment, Interest and

Money, London 1936. Deutsch von Fritz Waeger: Allgemeine Theorie der

Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, München und Leipzig 1936,

Neudruck Berlin 1955.

3

John Maynard Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses

und des Geldes, Berlin 1955, S. 83.