311
einige von anderen Personen kontrolliert werden und einige vielleicht dem
Zufall unterliegen. Die Interessen der einzelnen Personen sind manchmal
einander entgegengesetzt, manchmal laufen sie parallel. Es besteht daher
überhaupt kein normales Maximum-Problem, sondern eine eigenartige
Mischung davon — eine begriffliche Situation, die vollkommen verschieden
ist von jener, die von heutigen Nationalökonomen studiert wird. Mit den
konventionellen Methoden, wie Analysis und Differentialgleichungen, kann
man ihr nicht beikommen; sie verlangt die Anerkennung des grundsätzlichen,
kombinatorischen Charakters der ökonomischen Probleme... Die mechanische
Analogie, welche in der Nationalökonomie seit ihres frühesten Anfanges
angewendet wurde, wird aufgegeben und a fortiori die begrifflichen und
mathematischen Konstruktionen, die damit Zusammenhängen. Statt dessen
wird der Begriff einer optimalen Strategie eingeführt und eine Klärung der
Idee des „rationalen Verhaltens“ für alle Bedingungen der vielfältigen
gegenseitigen Beeinflussung verschiedener Personen. Dies führt zu einer
gründlichen Betrachtung der Zusammenarbeit zwischen Spielern und zu einer
neuen Analyse der Nichtaddierbarkeit des Wertes. Neben dem Hauptthema
wurde eine Methode entwickelt, um den Nutzen bis zu einer linearen
Transformation numerisch zu machen, auf Basis der grundlegenden Tatsache,
daß jedes menschliche Verhalten auf die Zukunft ausgerichtet und daher von
Unsicherheit behaftet ist. Andererseits wurde der Begriff „Grenz“-Nutzen in
seiner derzeitigen einfachen Form aufgegeben.
Sollte die Spieltheorie zum Durchbruch kommen, so würde der Bruch mit
der konventionellen Nationalökonomie viel tiefer gehen als jener, der in den
siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit dem Aufkommen der
Grenznutzenschulen entstand. Die letzten waren eine ziemlich stetige
Entwicklung innerhalb des begrifflichen Rahmens, der aus dem 18.
Jahrhundert stammte.“
Es zeigt sich, daß mit dieser Lehre von den strategischen Spielen
wiederum eine der Säulen geborsten ist, die das Gebäude der herkömmlichen
Nationalökonomie als Tausch- und Preistheorie getragen haben. Es bedarf
auch keiner besonderen Betonung, daß die ganzheitliche Lehre mit dieser
Lehre in der Ablehnung: der Gleichgewichtstheorie klassischer und
neoklassischer Prägung, der Annahmen der Grenznutzenlehre, der Versuche
mit Indifferenzkurven usw., ebenso übereinstimmt wie in der Behauptung der
Unzulänglichkeit der Theorie der monopolistischen Wirtschaftsformen sowie
endlich in der Annahme eines Allzusammenhanges des wirtschaftlichen
Gesamtgeschehens, der jede isolierte Betrachtung eines Faktors oder einer
Verhaltensweise wesenswidrig erscheinen läßt.
Es fragt sich nur, ob jener „große Tag“ einmal eintreten wird, „an dem eine
neue mathematische Disziplin, die diesen Problemen angemessen ist, erfunden
wird“
1
. Außerdem, ob es je gelingen kann,
1
Oskar Morgenstern: Spieltheorie und Wirtschaftswissenschaft, Wien-
München 1963, S. 197.