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die erste Bestimmung des Schönen vollzogen: Es ist die Eingebung,

welche sich in der Gestalt widerspiegelt — als das S c h ö n e ! Und

das heißt:

Schön ist, was als Gestalt den Glanz der Eingebung an sich hat.

Um aber den wissenschaftlich zu unbestimmten Begriff des

„Glanzes“ zu vermeiden, sagen wir genauer:

Schön ist, was die Eingebung als Gestalt vollkommen wiedergibt;

und daher als Gestalt mit der Eingebung übereinstimmt.

Ehe wir weitergehen, wenden wir uns der auffallenden Gleich-

läufigkeit dieser Begriffsbestimmung mit jener des Wahren zu, wel-

che wir in unserer Logik näher begründeten: „Wahr ist, was als

Begriff mit der Eingebung des Denkers übereinstimmt“

1

. Die her-

kömmliche, schon platonisch-aristotelische Begriffsbestimmung des

Wahren sagt bekanntlich, wahr sei, was mit dem Gegenstande über-

einstimmt. Wird aber als eigentliche Quelle des Begriffes nicht die

Sinneserfahrung (des Gegenstandes), sondern die Eingebung (wel-

che zuletzt der Ideenwelt entstammt) erkannt; dann ist die Über-

einstimmung mit dem Gegenstande bereits etwas Abgeleitetes — so

überraschend das klingen mag! Der Begriff hat ursprünglicherweise

die Eingebung — durch Vergegenständlichung — wiederzugeben.

Es ist ein Merkzeichen der Richtigkeit unserer Begriffsbestim-

mung des Schönen, daß sie, ganz entsprechend der Gleichläufigkeit

der Geistestaten des Denkens und Gestaltens, mit jener des Wahren

übereinkommt. Auch der Begriff des Schönen weist zuerst auf die

Eingebung. Dem entspricht es, daß auch im wirklichen Kunstleben

die i n n e r e W a h r h e i t des Schönen, das ist die Übereinstim-

mung mit der Eingebung, vor der äußeren, naturalistischen Wahr-

heit, der Übereinstimmung mit dem Gegenstande, mit der Natur-

wirklichkeit, steht. Das wird sich später in verschiedenen Zusam-

menhängen erweisen.

Nach allem, was sich früher über die Kategorien ergab, liegt es am

Tage, wie unvollständig unser obiger Begriff des Schönen noch ist.

Er betrifft nämlich nur die Ausgliederung, nicht die Befaßtheit des

Ausgegliederten, nicht die Rückverbundenheit. Es ist aber die aus-

1

Vgl. meine Bücher: Ganzheitliche Logik, Eine Grundlegung, Aus dem Nach-

laß herausgegeben von Walter Heinrich, Salzburg-Klosterneuburg 1958; Der Schöp-

fungsgang des Geistes, 2. Aufl., Graz 1969 (= Othmar Spann Gesamtausgabe,

Bd 10).