Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8333 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8333 / 9133 Next Page
Page Background

273

Durch Abgebrühtheit solcher Art will diese Zeit die Gültigkeit

des Schönen leugnen; wodurch auch nur die Möglichkeit einer

Pflicht zum Schönen wegfällt. Eher dagegen wäre sie geneigt, eine

Pflicht zum Häßlichen, Dämonischen, Krankhaften — also im

Grunde Platten — zu verkünden!

Die Pflicht zum Schönen besteht; der Pflichtbegriff muß aus dem

engen Bereiche, in welchem er bisher galt, herausgehoben werden.

Die Pflicht zum Schönen ist der Pflicht zur Höherbildung des inne-

ren Menschen gleichzusetzen. Denn, das ist nun endgültig bewiesen,

je mehr das Ich die Enge seines zufälligen Daseins durch Teilnahme

an anderen Wesen vermittels des Schönen durchbricht, umso mehr

wird es befähigt, in ein höheres Dasein einzutreten.

Nicht zuletzt ist die Teilnahme am Schönen auch eine Schule der

S a m m l u n g ; und mehr bedürfte es gar nicht, um die Pflicht

zum Schönen zu begründen. Denn auf Sammlung beruhen alle

Werke des Künstlers. Darum, wer diese Pflicht übt und im Schönen

lebt, wird immer neue Kräfte zu immer neuen Schöpfungen in sich

wecken.

IV. Das Schöne und das Heilige

Das Verhältnis des Schönen zum Heiligen, das ist der Kunst zur

Metaphysik und Religion, bedarf keiner besonderen Behandlung

mehr, insofern es schon in den Abschnitten über Rückverbunden-

heit, auch jenen über Eingebung und Gestaltung mitbehandelt

wurde. In dem Zusatze über klassische, romantische und gebrochene

Kunst wurde die Bedeutung der metaphysischen Grundeinstellung

für die Kunst noch besonders klargestellt.

Es ergab sich überall, daß die Kunst trotz ihrer Arteigenheit

überall eine innige Verwandtschaft mit dem Metaphysisch-Reli-

giösen wesensgemäß aufweise.

Diese Verwandtschaft ist schon in der ersten Wurzel der Kunst,

der Eingebung, notwendig begründet. Denn die echte Eingebung,

vollkommen gestaltet und rückverbunden, trägt schon k r a f t

i h r e s U r s p r u n g e s den Glanz der Überwelt an sich. Und

das unmittelbare Innewerden der Rückverbundenheit (der gestalte-

ten Eingebung) ist ja nichts anderes als der Ausdruck dieses grund-

sätzlichen Tatbestandes.

18 Spann, 19