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Durch Abgebrühtheit solcher Art will diese Zeit die Gültigkeit
des Schönen leugnen; wodurch auch nur die Möglichkeit einer
Pflicht zum Schönen wegfällt. Eher dagegen wäre sie geneigt, eine
Pflicht zum Häßlichen, Dämonischen, Krankhaften — also im
Grunde Platten — zu verkünden!
Die Pflicht zum Schönen besteht; der Pflichtbegriff muß aus dem
engen Bereiche, in welchem er bisher galt, herausgehoben werden.
Die Pflicht zum Schönen ist der Pflicht zur Höherbildung des inne-
ren Menschen gleichzusetzen. Denn, das ist nun endgültig bewiesen,
je mehr das Ich die Enge seines zufälligen Daseins durch Teilnahme
an anderen Wesen vermittels des Schönen durchbricht, umso mehr
wird es befähigt, in ein höheres Dasein einzutreten.
Nicht zuletzt ist die Teilnahme am Schönen auch eine Schule der
S a m m l u n g ; und mehr bedürfte es gar nicht, um die Pflicht
zum Schönen zu begründen. Denn auf Sammlung beruhen alle
Werke des Künstlers. Darum, wer diese Pflicht übt und im Schönen
lebt, wird immer neue Kräfte zu immer neuen Schöpfungen in sich
wecken.
IV. Das Schöne und das Heilige
Das Verhältnis des Schönen zum Heiligen, das ist der Kunst zur
Metaphysik und Religion, bedarf keiner besonderen Behandlung
mehr, insofern es schon in den Abschnitten über Rückverbunden-
heit, auch jenen über Eingebung und Gestaltung mitbehandelt
wurde. In dem Zusatze über klassische, romantische und gebrochene
Kunst wurde die Bedeutung der metaphysischen Grundeinstellung
für die Kunst noch besonders klargestellt.
Es ergab sich überall, daß die Kunst trotz ihrer Arteigenheit
überall eine innige Verwandtschaft mit dem Metaphysisch-Reli-
giösen wesensgemäß aufweise.
Diese Verwandtschaft ist schon in der ersten Wurzel der Kunst,
der Eingebung, notwendig begründet. Denn die echte Eingebung,
vollkommen gestaltet und rückverbunden, trägt schon k r a f t
i h r e s U r s p r u n g e s den Glanz der Überwelt an sich. Und
das unmittelbare Innewerden der Rückverbundenheit (der gestalte-
ten Eingebung) ist ja nichts anderes als der Ausdruck dieses grund-
sätzlichen Tatbestandes.
18 Spann, 19