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lichkeit, aber der Künstler ist frei; wobei er als Künstler unter-
geht, wenn er das Schöne preisgibt!
Die Kunst ist keine Sittenlehre, aber sie steht eng mit dem Wah-
ren und Guten im Bunde. Das erkannte Schiller, welcher in seinem
Lehrgedichte „Die Künstler“ kühnlich diesen zurief:
Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben,
Bewahret sie!
Sie sinkt mit euch, mit euch wird sie sich heben!
B. S c h ö n h e i t u n d L i e b e
Das Werk des liebeleeren Künstlers kann uns auch nicht zur
Liebe entflammen. Um das Schöne mit Neigung zu umfassen, muß
es auch aus Liebe geboren sein. In welchem Verhältnisse stehen nun
Schönheit und Liebe?
Die Liebe entspringt dem Verhältnisse von Mensch zu Mensch,
sie gehört der Gemeinschaft an. Gemeinschaft oder Gezweiung aber
besteht, wie schon früher auseinandergesetzt, im geistigen Anein-
ander-Werden, in geistiger Gegenseitigkeit! Und allein in dieser
Gegenseitigkeit wurzelt die Liebe!
Darum ist das tiefste Wesen der Liebe das Durchdrungensein von
dem, was in jener geistigen Gegenseitigkeit wesensgemäß beschlos-
sen liegt: dem In einandersein, noch deutlicher gesagt, der E i n e r -
l e i h e i t des Einen mit dem Anderen; welche sich, wie früher
ebenfalls schon erläutert, in die scheinbar dreisten Worte kleiden
läßt: „Ich bin auch der Andere“! Aber eben damit spricht die Liebe
erst ihre tiefste Wahrheit aus.
Bedenkt man dagegen das Wesen der Schönheit als: Eingebung,
Gestaltung und Rückverbundenheit, so liegt darin u n m i t t e l -
b a r keine Gemeinschaft der Menschen, also auch keine Liebe; die
Gemeinschaft ist nur ihre Vorbedingung, wie die alles geistigen
Werdens.
Anders in m i t t e l b a r e m Sinne. Indem die Eingebung dem
schaffenden Künstler das innere Wesen vieler Menschen und Natur-
dinge von i n n e n h e r erschließt, ergibt sich auf diesem