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heit vom Tastsinne wiedererzeugt oder unmittelbar wahrgenom-
men usw.; außerdem die geistige Bedeutung des Ganzen in die
Sinnesempfindungen verschmolzen.
Schon von Hegel wurde mit Recht gefordert, daß die Einteilung
der Künste aus dem Begriffe des Schönen begründet werde. Jedoch
glitt der Ausführungsversuch in die Einteilung nach den Sinnes-
organen hin ab; nach Schasler erfolgte dies, „da der Unterschied
der Organe unmittelbar das konkrete Wesen der Künste
berührt“
1
. — Allein, es zeigte sich ja schon, daß, obgleich einige
Sinne vorherrschen, zuletzt doch alle Sinne an allen Künsten, min-
destens mittelbar, beteiligt seien.
Der tiefere Grund dieser Abgleitung liegt darin, daß aus der
allgemeinen Formel, welche Theodor Vischer richtig im Sinne Plo-
tins, Schellings und Hegels aufstellte, das Schöne sei „die Idee in
begrenzter Form (das heißt: als Einzelheit und Realität)“
2
— daß
aus so allgemeinen Formeln sich nichts ableiten noch einteilen läßt!
IL Die Künste nach dem Grade ihres Geistesgehaltes
Dagegen meinen wir, unser aus dem Aufbau des ganzheitlich
begriffenen Geistes geschöpfter Schönheitsbegriff sei imstande, die
Aufgabe der Ableitung der verschiedenen Kunstgattungen zu lösen.
Wir bestimmten die Schönheit als die aus der Eingebung (1)
schöpfende Gestaltung (2), die beide rückverbunden (3) sind.
Da die Wahrheit gleichfalls die aus der Eingebung schöpfende
Vergegenständlichung ist, so erkennen wir daraus, daß die Denk-
aufgabe der Einteilung der W i s s e n s c h a f t e n jener der Ein-
teilung der K ü n s t e gleicht.
Lassen wir die Rückverbundenheit als Grund der Einteilung der
Künste beiseite, da die Rückverbundenheit, je höher hinauf sie
führt, umso mystischer und überall gleicher wird, also keine wesen-
hafte Unterscheidung der Künste begründet; so verbleibt als das
Wesentliche: die Gestaltung der Eingebung!
1
Max Schasler: Kritische Geschichte der Ästhetik, Berlin 1872, S. 1074, vgl.
S. 1072 f. und öfter.
2
Angeführt bei Max Schasler: Kritische Geschichte der Ästhetik, Berlin 1872,
S. 1065.